„Erstmals hören die deutschen Firmen zu“

Das Lieferkettengesetz zeigt Erfolge in den Zulieferländern. GewerkschafterInnen aus Pakistan sprechen mit hiesigen Textilbetrieben über bessere Arbeitsbedingungen vor Ort

ein Arbeiter in einer Fabrik sitzt an einer Nähmaschine und näht ein Kleidungsstück

Produzieren für den deutschen Markt: TextilarbeiterInnen im pakistanischen Karachi Foto: Xinhua/imago

Von Hannes Koch

Mit dem deutschen Lieferkettengesetz ist Nasir Mansoor ziemlich zufrieden. „Zum ersten Mal hören uns die deutschen Unternehmen zu“, sagt der Gewerkschafter aus Pakistan. Gerade ist er zu Besuch in Europa und hat Termine mit zehn Bekleidungshändlern ausgemacht, die Jeans, T-Shirts und andere Produkte in Fabriken seines Heimatlandes fertigen lassen.

„Nun haben wir ein Werkzeug in der Hand, mit dem es uns hoffentlich gelingt, die Arbeitsbedingungen in den pakistanischen Fabriken zu verbessern“, sagt Mansoors Gewerkschaftskollegin Zehra Khan. Das deutsche Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, wie es offiziell heißt, ist jetzt gut ein Jahr in Kraft. Es verpflichtet die hiesigen Auftraggeber und Händler, sich auch um die sozialen und ökologischen Menschenrechte der Beschäftigten zu kümmern, die in den weltweit verstreuten Zulieferfabriken arbeiten. Früher haben die europäischen Unternehmen die Arbeitsbedingungen dort oft ignoriert – Hauptsache, die Produktionskosten waren niedrig.

Mit welchen Firmen die GewerkschafterInnen hierzulande in Kontakt stehen, wollen sie nicht verraten, um die Gespräche über konkrete Verbesserungen nicht zu gefährden. Vermutlich handelt es sich um Größen der Textilbranche, zu denen unter anderem Adidas, Aldi, C&A, H&M, Hugo Boss, KiK, Lidl, Otto und Tchibo gehören. „Manche Firmen wollen die Probleme lösen“, sagt Mansoor, andere suchten Ausflüchte. Die Gäste aus Pakistan werden bei ihrer Tour unterstützt von der Organisation Femnet, dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte und der Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linkspartei.

In den Gesprächen mit den Unternehmen stützen sich Mansoor und Khan auf ihre neue Studie. Demnach gaben 97 Prozent der befragten pakistanischen TextilarbeiterInnen an, keinen schriftlichen Anstellungsvertrag zu haben, auf den sie sich in Konfliktfällen mit den Arbeitgebern berufen könnten. Und wer keinen Vertrag habe, sei auch nicht in der Sozialversicherung, erklärt Khan.

Mehr als ein Viertel der ArbeiterInnen erhält nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn, der umgerechnet 82 Euro monatlich beträgt. Außerdem würden geleistete Überstunden oft nicht korrekt vergütet, und der bezahlte Urlaub werde gekürzt, heißt es in der Studie. In den meisten Fabriken seien auch keine Gewerkschaften aktiv, die bessere Arbeitsverhältnisse durchsetzen könnten.

„Manche Firmen wollen die Probleme lösen“

Nasir Mansoor, Gewerkschaftsvertreter aus Pakistan

Laut Lieferkettengesetz sind die hiesigen Auftraggeber dafür verantwortlich, dass solche Missstände abgestellt werden. Doch bisher habe sich die Lage für die Beschäftigten in Pakistan kaum verbessert, erklärt Mansoor. „Wir erwarten, dass auch die Unternehmen, die bisher noch wenig unternommen haben, das bald nachholen, um dem Gesetz zu entsprechen“, sagt Femnet-Mitarbeiterin Sina Marx. „Andernfalls behalten wir uns vor, Beschwerden bei der zuständigen Kontrollbehörde Bafa einzulegen.“ Dieses Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, eine nachgeordnete Behörde des von dem grünen Minister Robert Habeck geführten Bundeswirtschaftsministeriums, soll die Einhaltung des Gesetzes durch die Unternehmen überprüfen.

Das Lieferkettengesetz gilt seit Januar 2023. In dem Jahr sind beim Bafa 38 Beschwerden eingegangen. Was aus diesen wird, will das Amt auf Anfrage der taz jedoch nicht mitteilen, nur: „Bitte haben Sie Verständnis, dass das Bafa keine tiefergehenden Auskünfte über seine Kontroll- und Prüfprozesse oder zu etwaigen Beschwerden gegen einzelne Unternehmen geben kann.“ Weil die Behördenarbeit so nicht öffentlich kontrolliert werden kann, hat Femnet 2023 selbst schon eine Beschwerde gegen Amazon und Ikea eingereicht. Was deren Prüfung durch das Bafa ergeben hat, und welche Maßnahmen zur Abhilfe das Amt für nötig hält, ist der Organisation ebenfalls nicht bekannt. „Dass das Bafa den Betroffenen kaum Informationen über das Verfahren und seine Ergebnisse mitteilt und diese nicht konsultiert, ist nicht verständlich“, sagt Femnet-Vorständin Gisela Burckhardt.