piwik no script img

Deutsches Eishockey-DebakelNever change a losing team

Noch nie war ein deutsches Team so schlecht bei Olympischen Spielen. Alle Spiele gingen verloren, das letzte mit 2:8. Allerdings will das niemand wahr haben.

Eine Klasse schlechter: Thomas Greiss und Dennis Seidenberg versuchen, den Kanadier Drew Doughty am Tor zu hindern. Bild: dpa

VANCOUVER taz | Nein, ärgern wollte sich kein Mitglied der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft. „Wir haben hier gut gespielt und gekämpft“, behauptete Christian Ehrhoff von den Vancouver Canucks. Auch Nationalspieler Dennis Seidenberg, bei den Florida Panthers in der NHL engagiert, fand die olympischen Auftritte der von Uwe Krupp gecoachten Auswahl bei den Winterspielen in Vancouver „ganz ok“.

Der Bundestrainer selbst gab sich ebenfalls nicht unzufrieden. „Wir waren nicht schlecht“, sagte Krupp. „Wir haben hier gegen die besten Teams der Welt gespielt.“ So viel Schicksalsergebenheit war angesichts der traurigen Ergebnisse verwunderlich, sie hätten sich wenigstens ein bisschen ärgern können.

Im Qualifikationsspiel um den Viertelfinal-Einzug wurden die Deutschen zum Abschied von Kanada gnadenlos mit 8:2 (1:0, 3:1, 4:1) abserviert. Vorher hatten die DEB-Profis in den Gruppenspielen ein ehrbares 0:2 gegen noch nicht eingespielte Schweden kassiert, mit 0:5 gingen sie gegen Finnland unter, und sie ließen sich beim 3:5 gegen Weißrussland einige Male dumm auskontern. Das olympische Turnier schloss die deutsche Mannschaft damit sieglos auf dem elften Platz ab – so schlecht wie nie zuvor.

Das Spiel gegen Kanada war – wie schon das Finnland-Debakel - eines, über das die deutschen Profis möglichst schnell den Mantel des Vergessens legen sollten, um nicht in eine tiefe Sinnkrise zu stürzen. Nach einem ersten Drittel, in dem die kanadischen Stars zwar massenhaft Chancen hatten, aber nur einmal trafen (Joe Thornton, 10. Minute), kamen sie immer besser in Schwung – und spielten die Deutschen an die Wand, die ihnen körperlich, technisch, in Sachen Tempo und Reaktionsschnelligkeit unterlegen waren.

Kleine Trostpreise für die deutsche Auswahl: Torhüter Thomas Greiss hielt in der 32. Minute einen von Superstar Sidney Crosby geschossenen Penalty, Marcel Goc, bester deutscher Profi auf dem Eis, und Manuel Klinge verschlechterten mit ihren Treffern die Statistik von Kanadas Goalie Roberto Luongo.

Vor vier Jahren in Turin hatte das deutsche Team immerhin zweimal remis (2:2 gegen die Schweiz und 3:3 Italien) gespielt und in der Turnier-Abrechnung Rang zehn belegt. 2002 in Salt Lake City war die Mannschaft im Viertelfinale mit 0:5 an den USA gescheitert, in der Zwischenrunde verloren sie nur knapp mit 2:3 gegen den späteren Olympiasieger Kanada.

Bei beiden olympischen Veranstaltungen hatte die NHL pausiert und war wie in Vancouver mit ihren Topstars vertreten. Kann man also mit dem Ergebnis der Olympischen Winterspiele 2010 wirklich zufrieden sein? Wenn man Uwe Krupp folgt, dann spiegelt das deprimierende Abschneiden nur das Niveau des deutschen Eishockeys wieder. „Wir haben hier gegen die besten Teams der Welt gespielt“, sagte der 44-Jährige. „Das ist die Bilanz, die man erwarten konnte.“

Deutschland trat in Vancouver aber immerhin mit sieben in Nordamerika beschäftigten Spielern an – so viele standen noch nie in einer deutschen Auswahl. Der Bundestrainer setzte seine Spitzenkräfte Seidenberg, Ehrhoff, Marco Sturm, Jochen Hecht und Marcel Goc stets zusammen im ersten Block ein, sie erzielten drei der nur fünf deutschen Treffer. „Ich war sehr zufrieden mit den NHL-Profis, sie haben die Mannschaft angetrieben“, sagte Krupp.

Was allerdings verwunderte war sein passives Coaching: Nach dem Motto „Never change a losing team“ ließ er seine Reihen in allen vier Spielen unverändert. Seine fünf Spitzenkräfte strapazierte er mit Einsatzzeiten von bis zu 26 Minuten pro Partie. Vielleicht wäre es einen Versuch wert gewesen, die NHLler auf die Formationen zu verteilen, um der Mannschaft insgesamt mehr Schwung zu verleihen.

Denn schon die zweite deutsche Reihe fiel deutlich ab. Auch ein Stürmer wie der Ingolstädter Thomas Greilinger, mit 61 Punkten momentaner Topscorer der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), blieb in den Spielen von Vancouver so gut wie unsichtbar.

Die meisten deutschen Profis und auch Krupp treten schon am Donnerstag die Heimreise nach Deutschland an. Krupp will sich umgehend in die Arbeit stürzen, denn im Mai beginnt die Weltmeisterschaft in Gelsenkirchen, Köln und Mannheim. Es wird nicht einfacher.

Zwar werden die Topteams nicht mit ihren Superstars nach Deutschland reisen, da gleichzeitig die NHL-Playoffs stattfinden. Aber auch die DEB-Auswahl wird nicht mit allen sieben nordamerikanischen Profis antreten können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • S
    steffi

    Dennis Seidenberg ist es gewohnt das er 26 Minuten Eiszeit. Das hat er seit Jahren in der NHL jeden Spieltaf,da hat er im Schnitt 28 Minuten Eiszeit

  • DT
    Der Thomas

    Und was soll mir jetzt dieser Artikel sagen?

    Im Eishockey ist Deutschland eben nur zweitklassig. Drei der vier Gegner während des olympischen Turniers gehören dem Club der sogenannten "grossen sechs" an (Kanada, USA, Schweden, Finnland, Tschechien, Russland). Der Klassenunterschied zu diesen Nationen entspricht ungefähr dem von Aserbaidschan und Brasilien im Fussball.

     

    Einzig gegen Weissrussland gab es eine kleine Aussenseiterchance und da hat sich die deutsche Nationalmannschaft ja gar nicht so schlecht geschlagen. Andere Nationen die sich früher auf einem vergleichbaren Niveau befanden (z.B. die Schweiz) sind mittlerweile, dank effektiver Förderprogramme für den Nachwuchs, an Deutschland vorbeigezogen und werden wohl auch auf Jahre hinaus nicht eingeholt werden. Das Ergebnis wird man dann bei der kommenden WM sehen, wo Deutschland endgültig in die B-Gruppe absteigen wird.

     

    Zum Glück sind Eishockeyliebhaber in Deutschland leidensfähig und machen ihre Begeisterung für den Sport nicht am Abschneiden der Nationalmannschaft fest. Ich freue mich jedenfalls auf mein Wunschfinale: Schweden:Russland