Deutscher Humanistentag in Hamburg: Mal Dialog, mal Hitler-Vergleich
Parallel zum Kirchentag treffen sich in Hamburg die Humanisten. Sie ärgern sich über die Macht der großen Kirchen.
HAMBURG taz | Nicht mal hier lässt sie die Kirche in Ruhe. Vielleicht 150 Menschen sitzen am Donnerstagabend im Tagungsraum des Deutschen Humanistentags in Hamburg. Sie lauschen einem Vortrag über die Macht der Kirchen in den Medien und von draußen kommt Musik – Gesang vom Kirchentag.
Ihr Veranstaltungsraum ist ein Theaterzelt. Es gehört zu den „Fliegenden Bauten“ in Hamburg. Im nahen Stadtpark Planten un Blomen gibt es Kinderangebote des protestantischen Großevents. Das Messegelände, das Zentrum des Kirchentags, ist fünf Gehminuten entfernt.
Auf der Bühne steht der Journalist Ulli Schauen und zeigt seinen Zuhörern auf einer Leinwand Ausschnitte aus Jauch-Sendungen, Fernseh-Interviews und Dokumentationen. Es geht ihm um den nicht immer klar erkennbaren Einfluss der Kirchen: etwa bei Sendungen wie 37 Grad – ein Produkt von kirchlichen Fernsehproduktionsgesellschaften. Die kämen zwar nicht immer religiös daher, aber manchmal kämen überraschend Pfarrer als Experten für soziale Themen vor. Für Schauen ist so etwas Kirchen-PR.
Schauen zeigt den ZDF-Chefredakteur Peter Frey, der anlässlich der Papstwahl Interviews führt. Ihn ärgert, dass Frey das tut, obwohl er Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ist. Für den Fernseh-Journalisten ist er deshalb befangen. Genauso sieht er das im Hinblick auf einige Kirchenredakteure bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, die auch Synoden-Mitglieder sind.
Viel Wut
„Heidenspaß statt Höllenqual“ ist der Untertitel des Treffens. Doch deswegen sind hier längst nicht alle entspannt. Beim Thema Kirche gibt es hier viel Wut. Ein älterer Zuhörer meldet sich nach Schauens Vortrag. Er ist empört. Man müsse etwas gegen diese Macht tun. Der starke Einfluss der Kirchen auf die Medien sei ungerecht und verstoße gegen den Gleicheitsgrundsatz aus dem Grundgesetz. Die Kirchen seien „Feinde des Grundgesetzes“. Sein Vorschlag: „Eigentlich müsste man rübergehen und sagen: Ihr seid die Quelle der Ungerechtigkeit“.
Es ist keine typische Wortbemerkung für den Humanistentag, die meisten Meldungen sind sachlicher. Die Wütenden bekommen auch keinen frenetischen Applaus. Doch ein Einzelfall bleibt er nicht. Ein anderer berichtet, wie er sich über eine Morgenandacht beim NDR habe beschweren wollen, weil er sich durch diese als Humanist verletzt fühlte. Ihn irritiert, dass der Sender ihn an das Bistum verwies, aus dem der Radioprediger kommt. „Das ist ja so als würde man sich bei Goebbels über Hitler beschweren.“
Doch bei beiden Veranstaltungen gibt es auch Überschneidungen: Auf dem Kirchentag diskutiert ein Vertreter des Humanisten-Verbands Bayern mit einem kirchennahen Juristen darüber, wie viel Religion der Staat verträgt. Beim Humanistentag geht es darum, ob Religion für die Gesellschaft wichtig ist – Hannovers Landesbischof Ralf Meister kommt dafür ins Zelt.
Suizidhilfe und Pädagogik
Beim Humanistentag geht es nicht nur um und gegen die Kirche, sondern auch mal um Suizidhilfe, religionsfreie Spiritualität, Pädagogik – und die eigene Philososphie.
Auch hier gibt es so etwas wie Erweckungsgeschichten – ein ehemaliger Pastor erzählt, wie er Atheist geworden ist. Am Rand des Zelts gibt es ein paar Stände – einen Mini-„Markt der Möglichkeiten“. Ein Jugendweihe-Verband ist dort. Es gibt einen Werbestand fürs Grundeinkommen und den „Facharbeitskreis Beschneidungsbetroffener“ von Mogis – einem Verein Betroffener von sexuellem Missbrauch. Das Humanisten-Treffen dauert vier Tage – fast genau so lang wie der Kirchentag.
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