Deutscher Frauentennis: Saat aus grünem Sand
Sabine Lisicki, 19 Jahre alt, gewinnt in Charleston ihr erstes, großes Tennisturnier. Es ist der erste deutsche Sieg auf der großen Bühne des Frauentennis seit Steffi Graf.
TENNIS Sabine Lisicki, 19 Jahre alt, erlebt eine wunderbare Woche in Charleston und gewinnt ihr erstes, großes Tennisturnier.
Als sie ihrem Vater aufgelöst vor Freude in die Arme fiel, da klebte noch grüner Sand an ihrer Schulter. Nach dem ersten Turniersieg ihrer Karriere, errungen mit einem eindrucksvollen Auftritt im Finale des mit einer Million Dollar dotierten Turniers von Charleston/South Carolina, war Sabine Lisicki zu Boden gegangen, hatte ein paar Augenblicke im Sand gelegen. Die Körner hatte sie bald wieder abgeputzt, aber es kann gut sein, dass im grünen Sand des schönen, alten Charleston eine Saat aufgegangen ist.
Es ist in jedem Fall ein Titel mit Seltenheitswert. Seit dem Rücktritt von Steffi Graf, der in diesem Sommer schon zehn Jahre zurückliegt, gab es im deutschen Frauentennis nie wieder einen Sieg bei einem Turnier dieser Größenordnung.
Die Art, wie Sabine Lisicki, 19 Jahre alt und sehr entschlossen, im Laufe der Woche Venus Williams (Nummer 5 der Welt), Marion Bartoli (Nr. 13) und im Finale Caroline Wozniacki (Nr. 12) besiegte, imponierte allen in Charleston und nicht nur da. 36 Asse in einer Woche - im Frauentennis kein ganz alltäglicher Wert -, darunter Geschosse mit Geschwindigkeiten von knapp 200 km/h, kompromissloses, hammerhartes Spiel von der Grundlinie und eine große Portion Mut ergaben eine Kombination von geradezu einschüchternder Wirkung.
Das hofft die glückliche Siegerin auch. Als sie im Januar 2008 bei den Australian Open ihren Einstand bei den Grand-Slam-Turnieren und damit auf der großen Bühne des Tennis gab, da stand sie auf Platz 194 der Weltrangliste, machte bei der Gelegenheit aber gleich von sich reden, in Wort und Tat. Die Tat bestand aus einem Sieg gegen die Russin Dinara Safina, die inzwischen die neue Nummer eins des Frauentennis ist. Das Wort war die sehr direkte Antwort auf die Frage nach ihren Zielen als Tennisspielerin. "Die Nummer eins", antwortete sie, ohne zu zögern. "Wenn man so hart und so viel arbeitet, muss man doch ein Ziel vor Augen haben." Wie in ihrem Spiel ist auch in ihren Gedanken ein amerikanischer Einfluss nicht zu übersehen. Zu Hause sind die aus Polen stammenden Lisickis seit vielen Jahren in Berlin, aber seit 2004 verbringen Sabine und Vater Richard, ein sorgsam planender, promovierter Sportwissenschaftler, in jedem Jahr mehrere Wochen im berühmten Trainingscamp von Nick Bollettieri in Florida. Nichts lernt man dort besser als die Sätze: Ja, ich kann. Und ja, ich will.
Was zunächst fehlte, war die Konstanz. Aber prinzipiell, so sagt Barbara Rittner, Chefin des deutschen Fed Cup Teams, sei immer klar gewesen: "Bei Sabine kann der Knoten jederzeit platzen; das ist eine potenzielle Top-Ten-Spielerin". Bis dahin ist es zwar nominell noch ein Stück des Weges, aber in der neuen Weltrangliste ist Lisicki nun als beste deutsche Spielerin erst mal auf Platz 43. Und die erhoffte beflügelnde Wirkung fürs deutsche Frauentennis kann sich womöglich schon in dieser Woche entfalten. Die glückliche Siegerin wird am Dienstag im Kreis des Fed Cup Teams erwartet, das am Wochenende in Frankfurt gegen China um den Aufstieg in die Weltgruppe spielen wird.
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