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Deutscher Computerspielpreis„Killerspiel“-Debatte knallt Preise ab

Der harte Ego-Shooter „Crysis 2“ ist zum besten deutschen Computerspiel des Jahres gewählt worden. Die Entscheidung der Jury ist umstritten.

Szene aus dem „besten deutschen Computerspiel Crysis 2“. Bild: dapd

BERLIN taz | Das beste Spiel des Jahres ist der Ego-Shooter „Crysis 2“. Das entschied am Donnerstag abend die Jury des Deutschen Computerspielpreises. Mit dem Titel des Frankfurter Entwicklers Crytek ist damit erstmals ein Spiel ausgezeichnet worden, das die Selbstkontrolleinrichtung FSK nur für über 18-Jährige empfiehlt.

Schon die Nominierung des Shooters hatte Tage vor der Preisverleihung Protest ausgelöst. „Wir halten diese Nominierung für unvertretbar“, kommentierte der kultur- und medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wolfgang Börnsen die Jury-Entscheidung in einer Pressemitteilung. Sie widerspreche dem Konzept des Preises, vor allem „kulturell und pädagogisch wertvolle Computerspiele“ zu fördern. „Wir fordern daher eine grundlegende Neukonzeption, eine deutliche Rückbesinnung auf den kulturell-pädagogischen Wert eines Computerspiels.“

Der Umgang mit und die Einschätzung von Killerspielen ist derzeit sowieso gerade wieder in der Debatte: Die Spielvorlieben des Massenmörders von Oslo, Anders Behring Breivik haben die Diskussion wieder angeheizt. Die Games haben immer noch ein schlechtes Image und die Debatten über die für gefährlich gehaltenen Spiele werden sehr emotional geführt.

Doch bei der Verleihung des Preises gab es auch Stimmen, die die Entscheidung der Jury verteidigten. „Wir haben eine unabhängige Jury, und das ist gut so, das soll auch so bleiben“, erklärte Staatsminister Bernd Neumann in seiner Eröffnungsrede. Und Björn Böhning, Chef der Berliner Senatskanzlei, kam zu dem Schluss: „Computerspiele haben das Recht auf einen unvoreingenommenen Blick wie alle anderen Medien auch.“

Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) und der Branchenverband G.A.M.E., die den insgesamt mit 385.000 Euro dotierten Preis ausrichten bemühten sich mit den Moderatoren Klaas Heufer-Umlauf und Jeannine Michaelsen sowie einem Auftritt der „The Voice of Germany“-Gewinnerin Ivy Quainoo um eine gute Show.

Jedoch bestanden die 500 geladenen Gäste zum Großteil aus Mitgliedern der Gamesbranche. Karten konnte man keine kaufen, auch eine Live-Übertragung als Stream fand nicht statt. So blieb die Branche unter sich, als das Point-and-Click-Adventure „Harveys Neue Augen“ zum besten Jugendspiel und das wunderbar kunstvolle „Vom fehlenden Fisch“ zum besten Serious Game erklärt wurden.

„Wir wollten mit diesem Preis zeigen, dass es mehr gibt als diese sogenannten K-Spiele“, erklärt die ehemalige Umweltministerin Monika Griefahn die Absicht der Gründer dieses Preises. Die Diskussion um „Killerspiele“ ist also immer noch nicht zu Ende. Zeit wird es langsam.

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13 Kommentare

 / 
  • N
    noevil

    Kann mal irgend jemand ein gutes Konzept für einen Ego-Shooter vorweisen, der harmonisch friedlich und trotzdem überzeugend von der Thematik her dieses Genre vertritt? Will man diese Sparte gänzlich verbieten?

     

    Wir Menschen sind nun mal kein fügsames Gemüse, sondern haben unterschiedlichste Seiten, die wir kritisch - aber durchaus auch spielerisch - betrachten, jedoch nicht unterschlagen, sollten. Sie sind nun mal vorhanden. Wer sie unterschlägt, der lügt. Wir müssen nur beizeiten mit ihnen umzugehen und sie zu "handlen" lernen. Diese Spiele sind Erwachsenenkost und keine Kinderspiele.

     

    Zu den wichtigsten Komponenten der Medienerziehung gehört die Kompetenz, zwischen Realität und Fiktion und zwischen "ich" und "Du" zu unterscheiden und grundlegendem Respekt sowohl vor sich als auch dem anderen. Und diese Dinge gehören bereits im Einfachsten innerhalb der Familie in der jüngsten Kindheit vermittelt - bevor das Kind überhaupt einen PC bedienen lernt.

     

    Das sind für jegliche Sozialkontakte unabdingbare Grundvoraussetzungen.

     

    Wer sich über -angebliche- Anregung zur Gewalt durch Spiele aufregt, den kann ich nur fragen, warum ausgerechnet seine Partei nicht den Willen hat, Waffen und ihre sportlichen Anhänger und Vereine gesetzlich so einzuschränken, dass sie für Labile keine Versuchung und für die Allgemeinheit keine Gefahr mehr darstellen. Der Hinweis auf die Historie kann weder erklären noch entschuldigen - allenfalls die Sicht auf mögliche Wählerstimmen.

     

    Haben Sie schon mal erlebt, wie die fanatischen Gegner mit Schaum vor dem Mund toben, wenn es um ihre friedlichen Ziele geht - wie sie ihre ganzen unterdrückten Aggressionen im wahrsten Sinne des Wortes "scharf schießen" lassen und einen fast körperlich bedrohen? Ich schon. Solchen Extremisten möchte man am liebsten empfehlen, sich einen guten Egoshooter reinzuziehen. Danach ist mit ihnen sicherlich friedlicher zu diskutieren - wenn sie ihre überschießenden Aggressionen los sind.

     

    Das geht natürlich nur unter der Voraussetzung, dass sie ihre Vorurteile über Bord werfen. Und das dürfte schwierig sein - sind sie doch oft genug der einzige Laternenpfahl, an dem man sich festhalten kann als Kritiker.

  • D
    Dirk

    Ist das nicht herrlich? Nach knapp 70 Jahren Entnazifizierung sieht ein Unionspolitiker wieder entartete Kunst am Horizont und empört sich über die Entscheidung einer Jury. Tja liebe CDU, wenn das Ergebnis vor der Wahl schon feststehen soll braucht man keine Jury - das nennt sich dann "Demokratie" und "freie Wahlen". Der Begriff "Killerspiel" wird nur von populistischen Vollidioten verwendet um auf Wählerstimmenfang zu gehen, abgesehen davon sollte man nicht Gewaltverherrlichung anprangern, wenn man zu einer Regierung gehört, die Waffenschieberei betreibt und Kritiker als Antisemiten abstraft.

  • D
    deviant

    Nach Goethes "Werther" hat es eine Reihe von Suiziden gegeben, die angeblich in direkten Zusammenhang mit diesem Buch standen - trotzdem wird dieses Buch als pädagogisch besonders wertvoll beeinflussbaren Jugendlichen verordnet - ein Verbot von "Killerbüchern" oder zumindest dieses Buches kam auch immer wieder von rechter Seite (zuletzt beim Gratiskoran), offenbar lernt man dort einfach nicht, dass sich Kunst und Kultur nicht so einfach verbieten lassen.

     

    Es gibt diese Spiele, und sie erzielen hohe Gewinne - dass ausgerechnet die Hohepriester des Kapitalismus damit fremdeln, ist befremdlich. Dass unsere Gesetze glücklicherweise liberal (endlich kann man dieses Wort mal wieder im positiven Sinne benutzen, nachdem die FDP es jahrelang verstümmelt und pervertiert hat) genug sind, dass jedem (Erwachsenen) offen steht, solche Spiele zu spielen und Juries das Recht haben, solche Spiele auszuzeichnen, wenn sie schlicht wirklich gut sind, ist beruhigend: Die Kunst bleibt frei, und die CDU kann nichts daran ändern.

     

     

    PS: Liebe CDU, Einfluss habt ihr doch immerhin auf die öffentlich-rechtlich organisierten Propagandaorgane...warum verbietet ihr nicht erst einmal Killerbilder, Killervideos und Killerkommentare in den Nachrichten? Oder schränkt den Waffenexport ein, um weniger solcher Bilder zu produzieren, bei denen, im Gegensatz zu Computerspielen tatsächlich Menschen zu schaden kommen?

     

    Oder ist hier das Freizeitverhalten der deutschen Jugend (wirkt am besten mit einer hitleresquen Intonation des "deutschen") mal wieder wichtiger als die "Arabs", die Juden, die "Nigger" etc?

     

    "Killerspiele" schicken auch niemanden in den Krieg, IHR tut das!

    Die wahren Menschenverachter seid IHR, nicht die Gamer - Krieg spielen mag ja pervers sein, Krieg führen ist schlicht menschenverachtend.

  • P
    Paul-Horst

    "Killerspiel", Killerspiel, Egoshooter oder "Töten-Spiel"?

     

    Zum Verwenden von bestimmten Begrifflichkeiten in Artikel und Überschrift:

    das K-Wort wird NATÜRLICH schon mal deshalb verwendet, um möglichst viele Klicks und Treffer im Netz zu haben. So einfach ist das. Passiert doch bei allen Themen mit allen Reizwörtern. Wundert mich, dass das hier jemanden wundert. Außerdem ist das Wort in „“ gesetzt, womit man sich als Medium ja doch wieder vom Inhalt absetzen will. (Wohl, um die Gamer unter den Lesern nicht zu vergraulen . . .)

    Die Überschrift trifft's übrigens auch nicht: - „Killerspiel“-Debatte knallt Preise ab – sollte wohl auch nur „knallen“ im Internet ;-)

    Schließlich gibt’s den Preis ja noch und er ist (noch) nicht weg. . .

     

    Aber warum soll man eigentlich nicht Killerspiel sagen, wegen des Anglizismus sicher nicht ;-)

    Okay, stimmt schon, "Killer" hört sich einfach richtig boulevardesk böse an - ich wäre eher für Töten-Spiel. (Klingt natürlich doof) Denn darum geht's doch, oder? Egoshooter ist meines Erachtens einfach falsch. Schließlich ist das Spiel ja kein interaktiver Rhetorikkurs. Es geht darum, andere zu töten. Punkt. Kriegsspiel wäre auch richtig, wenn's um Krieg geht.

    Es ist doch irgendwie eine falsch geführte Diskussion, wenn die Diskutanten Euphemismus einfordern! Unnötige Boulevardisierung – da bin ich dabei. Aber „egoshooter statt Killerspiel“, das ist ganz genau wie „Arbeitskräfte freisetzen statt Menschen entlassen“ oder (wie passend) „militärische Intervention statt Krieg führen“.

     

    Übrigens: Dieser Preis wird ja auch von der Branche selber vergeben, genau wie Oscar, Grammy, usw.

    Und dient so doch hauptsächlich dem Verkaufsfördern und nicht der Prämierung der wirklich Besten (geschweige denn wohlmöglich unter Einhaltung von Regeln oder so.)

    Es ist einfach schlau gemacht, jetzt im laufenden Breivik-Prozess einem Killerspiel den Preis zu geben – eine bessere PR als diese „Negativ-PR“, die hier diskutiert wird, kann man sich doch für die 37-te Auflage einer abgenudelten Spielidee garnicht denken!

    Die Preisvergabe ist so gesehen sicher innovativer als das Spiel an sich. Und hätte selber einen Preis verdient – einen Marketingpreis . . .

  • L
    LKS

    Hat eigentlich noch irgendjemand anderes als der doch weitgehend unbekannte "Wolfgang Börnsen" dagegen "protestiert"? So positiv und doch weitgehend vernünftig das allgemeine Medienecho nach dem, was ich bisher gelesen habe, ist (was ja schon ein erheblicher Fortschritt ist): Die Sache scheint mir kaum der Berichterstattung wert zu sein. Ein Unions-Semi-Hinterbänkler plustert sich auf und redet ein bisschen Unsinn, das ist ja nicht gerade eine Seltenheit.

     

    Dass auch die taz es aber immernoch nicht geschafft hat, von der Verwendung des Kampfbegriffs "Killerspiele" wegzukommen (und das Wort nichtmal in Anführungszeichen zu setzen), ist ziemlich traurig.

  • O
    Olinator

    Auch wenn der irreführende und beleidigende Begriff "Killerspiele" noch viel zu oft fällt hat sich doch etwas gebessert finde ich. Das Herr Börnsen von anderen Parteien und sogar aus den eigenen Reihen Kritik bekommen hat für diese Unverschämtheit und das Crysis 2 trotzdem ausgezeichnet wurde zeigt das sich in den letzten Jahren doch etwas getan hat am Image von Shootern.

  • T
    Tony

    Börnsern: "Sie widerspreche dem Konzept des Preises, vor allem 'kulturell und pädagogisch wertvolle Computerspiele' zu fördern. „Wir fordern daher eine grundlegende Neukonzeption, eine deutliche Rückbesinnung auf den kulturell-pädagogischen Wert eines Computerspiels."

     

    Rückbesinnung auf kulturell-pädagogischen Wert? Wann und wo bitte. Computerspiele sind zur Unterhaltung da, basta. Wenn man zufällig was dabei lernt hat man Glück gehabt, sonst ist auch egal. Aber es ist nicht so als würde die Branche verrohen, von Anfang an hat man da mit der Gewalt gespielt.

     

    Irgendwie ist es wohl so dass in einer Welt, in der man ständig davon hört wie XY (Soldat, Amokläufer, Terrorist, Polizist) jemanden erschießt auch einfach Lust kriegt jemanden zu erschießen - virtuell. So ähnlich wie wenn man sich Fussballspiele ansieht und auch mal wieder ein Tor schießen möchte (oder Pornos ansieht und plötzlich auf ganz bestimmte Ideen kommt...)

  • MP
    Michael Peterson

    Journalisten die den manipulativen Begriff "Killerspiel" in der Debatte über Egoshooter distanzlos übernehmen disqualifizieren sich selbst.

  • DS
    Dr. Schreck

    Schon wieder die Killerspiele. Vielleicht sollten sich Eltern, Lehrer und Politiker mal fragen, warum Kinder und Jugendliche solche Spiele benutzen müssen, um sich abzureagieren, anstatt einfach Spaß an ihnen zu haben.

     

    Ich habe in meiner Jugend ständig Ballerspiele gespielt, und bin trotzdem ein Pazifist und Humanist durch und durch. Es war geil, es hat Spaß gemacht, es war cool, so wie Splatterfilme und Metal auch. Einen direkten Bezug zur Realität? Gar Inspiration für grauslige Taten? Nö. Diese Grenze konnte ich trotz zeitweise täglicher vier bis sechs Stunden Ballerspiele mit Metal-Soundtrack problemlos ziehen.

     

    Es sind nicht die Ballerspiele, die aus Jugendlichen Amokläufer machen. Wenn Jugendliche übertrieben viel Ballerspiele spielen, ist das höchstens ein Symptom dafür, dass da irgendwas schiefgelaufen ist. Darüber sollte nachgedacht werden. Woher kommt der Frust? Woher die Flucht in die Spielewelt? Woher der Zorn? Vielleicht liegt's ja an der Überforderung in dieser Leistungsgesellschaft, an der Kommunikationsunfähigkeit der Eltern und Lehrer, an den total lebensfremden Vorstellungen der Politiker, die sich um Familie, Bildung und die Kinder kümmern?

     

    Oh, aber das täte ja weh, das würde ja die politischen Großmäuler infrage stellen. Also lieber die Schuld bei den anderen suchen, und all die Leute, die Egoshooter spielen und trotzdem Omis über die Straße helfen und sich im Tierschutz engagieren als Ausnahmen darstellen bzw. ganz verschweigen.

     

    Seufz, Dr. Schreck

  • M
    matthiasr

    Die Selbstkontrolle der Spieleindustrie ist die USK - die FSK macht Filme (mit F).

  • D
    dop

    die partei der kriegstreiberei & der waffenindustrie wettert gegen virtuelle computerspiele, was für eine heuchelei. passend dazu die meldung aus mecklenburg vorpommern, wo cdu, spd und npd es befürworten, das soldaten in schulen werbung für das millitär machen.

  • D
    duke

    Zitat: "Die Diskussion um „Killerspiele“ ist also immer noch nicht zu Ende. Zeit wird es langsam."

     

    Man könnte ja mal den Anfang machen und einen Artikel über Ego-Shooter und andere Spiele schreiben, ohne das K-Wort (was übrigens genauso ein Dysphemismus wie "Raubkopierer" ist) ständig zu verwenden.

  • A
    Arcas

    Ich dachte man hat seine Lektion nach dem GamesCom-Debakel von RTL im letzten Jahr gelehrnt.

    Naja, die CDU war halt schon immer lernunwillig.

     

    Crysis 2 hat als deutsches Spiel sicherlich den Preis verdient. Glückwunsch an CryTek an dieser Stelle.