Deutsche Wohnen & Co enteignen: Tendenz pro Enteignung
Für den Volksentscheid zeichnet sich einer ersten Hochrechnung zufolge eine Mehrheit ab. Aktivist:innen wagen vorsichtigen Jubel.

Die Nachricht verbreitet sich über Whatsapp, Aktivist:innen rennen zu Handys von ihren Freund:innen. Vorsichtig bricht Jubel aus, Menschen umarmen sich, teilweise herrscht auch Verwirrung. Dann stürmt das Cheerleeding Team der Kampagne nach vorne und bietet eine spontane Show. Die anwesenden Aktivist:innen applaudieren, tanzen mit. „This is our city, yes we keep it cheap and queer“, skandieren die Cheerleader:innen.
Mit einem angenommenen Volksentscheid ist der kommende Senat aufgefordert, ein Gesetz zu erlassen, das die Vergesellschaftung der Bestände der privaten Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen in der Stadt regelt und dafür „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind“, wie es auf dem Stimmzettel hieß.
Das erfolgreichste Begehren, das es gab
Vergesellschaftet werden sollen ausschließlich privatwirtschaftliche Wohnungskonzerne; kommunale Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften sind ausgeschlossen. Der Wohnraum soll zukünftig „von Belegschaft, Mieter:innen und Stadtgesellschaft“ demokratisch selbstverwaltet werden. Den Immobilienkonzernen soll eine Entschädigung „deutlich unter Verkehrswert“ gezahlt werden, heißt es im Beschlussentwurf. Grundlage für das Begehren ist der Grundgesetzartikel 15, der in der Geschichte der Bundesrepublik damit erstmals zur Anwendung kommen würde.
Das Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen war bereits in der Sammelphase das erfolgreichste, das es je in Berlin gab. Etwa 360.000 Unterschriften hatte die Initiative eingereicht, um einen Volksentscheid herbeizuführen, mehr als doppelt so viele wie an gültigen Unterschriften notwendig war. Für die rund 2.000 Aktivist:innen des Volksbegehrens ist dieser Ausgang die Belohnung für ihre teils jahrelange und meist ehrenamtliche politische Arbeit. Ursprünglich hervorgegangen war die Initiative 2018 aus verschiedenen Gruppen der Mietenbewegung. Schon 2019 sammelten die Aktivist:innen 77.000 Unterschriften für die Einleitung eines Volksbegehrens.
Von den Parteien unterstützte nur die Linke das Begehren vollumfänglich. Während die Grünen sich in der Unterstützung zurückhielten und Vergesellschaftungen lediglich als Ultima ratio bezeichneten, lehnten SPD, CDU, FDP und AfD das Begehren rundherum weg. Umfragen zuvor hatten allerdings gezeigt, dass sich Befürworter*innen des Entscheids unter den Wähler*innen aller Parteien finden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links