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Deutsche Sturmgewehre in LibyenAnzeige erstattet

Die Firma Heckler & Koch bestreitet den Export des G36 nach Libyen. Eine Erklärung dafür, wie die Waffen nach Libyen gekommen sind, hat der Hersteller nicht.

Deutsche Soldatin bei Kundus: Bei der Bundeswehr gehört das G36 zur Standardwaffe. Bild: dpa

HAMBURG taz | Das Sturmgewehr G36 ist seit mehr als einem Jahrzehnt ein Kassenschlager des deutschen Rüstungskonzerns Heckler & Koch. Wie aber die Standardwaffe der Bundeswehr massenhaft nach Libyen gekommen ist, kann sich der laut Firmenangaben weltweit führende Hersteller von Handfeuerwaffen nicht erklären.

Schon der G36-Vorgänger, die G3, schaffte eine weltweite Verbreitung bis in die Hände von Kindersoldaten. Das neue Sturmgewehr G36 wird nicht nur von europäischen Nato-Partnern wie Spanien oder Lettland genutzt, sondern von Sicherheitskräften in aller Welt: von Georgien über Jordanien bis nach Mexiko, das von einem Drogenkrieg zermürbt wird.

In Saudi-Arabien wird eine Fabrik für G36-Gewehre aufgebaut, die Komponenten dafür sollen seit 2001 mit deutschen Regierungsgenehmigungen geliefert worden sein. Kürzlich wurde bekannt, dass der saudische Lizenznehmer die Gewehre über seine Internetseite auf dem internationalen Markt anbietet.

Angesichts des multinationalen Verbreitungsgebietes des G36 hatten Experten erwartet, dass die Waffe auch in Libyen mitschießt. Trotz UN-Waffenembargo, an das sich weder Frankreich noch England hielten, und obwohl sich angeblich keine Bestände in den Händen von Gaddafi-Anhängern befinden.

Heckler & Koch zeigte sich ratlos. "Es gab zu keinem Zeitpunkt G36-Lieferungen nach Libyen durch die Heckler & Koch GmbH oder ihr verbundene Unternehmen und Organisationen", ließ das Unternehmen etwas rätselhaft verlauten.

Sollte mit "verbundenen Organisationen" etwa der Bundesnachrichtendienst (BND) gemeint sein, der Gaddafis Regime jahrelang beraten haben soll? Jedenfalls kündigte Heckler & Koch die Entsendung eines Expertenteams nach Tripolis an und erstattete Strafanzeige.

Das taten auch die Sprecher der Rüstungsexportkampagne - allerdings gegen Heckler & Koch wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Außenwirtschaftsgesetz sowie wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Kampagnensprecherin Christine Hoffmann forderte zudem die Bundesregierung auf, "zweifelsfrei zu klären", auf welchen Wegen die Sturmgewehre nach Libyen gelangt seien.

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12 Kommentare

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  • WW
    W. Wacker

    Jetzt wissen wir's. Die Rot-Grüne Bundesregierung hat 2003 den Export nach Ägypten genehmigt, um die befreundete demokratische Regierung Mubarak zu unterstützen. Und die Ägypter haben an Gaddafi verkauft.

     

    Hallo SPD und Grüne! Was sagt ihr dazu?

  • J
    Jens

    Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man über diese Meldung nur müde lächeln.

    Frankreich exportiert in das Libyen Gadaffis Mirage Flugzeuge und verhandelt über den Bau von Atomkraftwerken. Spanien liefert Streubomben, welche angeblich von Gadaffi gegen Demonstranten eingesetzt wurden. Italien hilft bei der Ausstattung der libyschen Polizei um Afrikaflüchtlinge fern zu halten. Alle möglichen Geheimdienste arbeiten intensiv mit dem Geheimdienst von Gadaffi zusammen.

    Aber ausgerechnet einer der weltweit größten Exporteure von Kriegsgerät, nämlich die Firma Heckler & Koch, will keine Waffen exportiert haben. Die Nachricht hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Der Aufbau der Waffenfabrik in Saudi Arabien geschah bestimmt auch ohne Wissen von H&K und allen Gewehren liegt ein Beipackzettel bei, dass diese nur zum Brunnenbau verwendet werden dürfen.

    Vielleicht sollte man in den Lexikas den Begriff für Scheinheiligkeit neu definieren.

  • IK
    Ihr kritikername

    Deutsche Waffen, deutsches Geld morden in der ganzen Welt...

  • V
    vic

    Planet der Waffen.

    Staten die H&K nicht direkt beliefert (es sind wenige), erhalten Produktionslizenzen, oder- wie im Fall Saudi Arabien-Finanzspritzen und Knowhow zum Bau einer ganzen Fabrik.

    Und die Regierung guckt zu.

  • F
    firehorse

    Ich hoffe dass die neue Regierung auf unsere Politik einen großen Haufen schiet und die gerade entdeckten geheimdienstlichen Unterlagen vom Gaddafi-Regime im Netz veröffentlicht oder zumindest der deutschen Presse zur Verfügung stellt.

     

    Dies Geheimdienste sollen sich untereinander ja bestens verstanden haben mit diesem Diktator.

     

    Wäre für uns, liebe Libyer, nützlich wenn dem so wäre. Dies könnte dazu führen das auch hier die letzten Schlafmützen oder Rentner - denn davon haben wir hier eindeutig zu viele für Veränderungen - aufwachen.

     

    Ansonsten an unsere libyschen Mitmenschen: Respekt und weiterhin viel Glück.

  • L
    Laberbacke

    Um überhaupt den Fall bewerten zu können, ist eine Größenordnung wie viele G36-Gewehre nach Lybien gelangt sind, unabdingbar. "Massenhaft" kann alles bedeuten.

     

    Leider wird in dem Artikel ohne Belege suggeriert, dass Heckler & Koch Waffen auch an Diktatoren verkauft und der BND bzw. die Bundesregierung dies unterstützt.

     

    Naheliegender, zumindest bei geringen Stückzahlen, wäre aber eindeutig, dass ein korrupter Beamter mit einem Waffenhändler den Deal seines Lebens gemacht hat.

    In dem Zusammenhang sind auch die demokratischen Nutzerstaaten interessant.

    http://de.wikipedia.org/wiki/HK_G36#Nutzerstaaten

  • F
    Fehlerteufel

    Korrekturtip für die BU: Das G36 ist eine Standardwaffe oder gehört zur Standardausrüstung ;)

  • K
    Kontroll-Gesetze

    Die Seriennummern usw. sind bekannt. Kriegswaffenkontroll-Firmen-Produzenten wissen haargenau wer welche Waffe wann geliefert bekommen hat. Deshalb hat die US-Army doch die RFIDs eingeführt und jede Firma hat jede Seriennummer jeder Glühlampe, Steuergerätes und Bauteiles jedes ihrer Produkte haargenau und lässt den Vorlieferanten den Ersatz liefern.

     

    D.h. die Internet-Society im Namen der taz sammelt und veröffentlicht die Seriennummern und will wissen wer diese Waffen offiziell geliefert bekommen hat.

    Davon abgesehen sollte Heckler und Koch diese Waffen zu 80% des offiziellen Preises rückkaufen müssen: Die können sie dann ja an anständige Armeen liefern. Für 10% billiger z.b. als Ersatzbeschaffung. Dann bleiben 10% Rendite-Spread zum wieder-auffrischen ("refurbishen" im IT-Market).

    Das ist kein Fall für Darkroom-Diplomatismus wo man sich gegenseitig die Menschenrechte reinschiebt sondern am besten offen problemlos klärbar.

    Da gibt es auch keine Geschäftsgeheimnisse.

    Irgendein Minister hat seine Kontrollfunktion nicht erfüllt und gehört vollautomatisch auf die Achse des Bösen und alle NoFly-Listen.

     

    Das ist ein 100% kontrollierter Markt wie alles, wo es Seriennummern gibt. Da kann keiner Ausreden. Das ist nur mangelnder Wille. Es ist schon traurig, wie Abofallen, Auto-Mafia, Ersatzteil-Mafia, Medikamenten-Mafia und andere von Versicherungen und Politik nicht wirksam genug bekämpft werden.

  • BA
    bitte anonym

    Vieleicht mal mit der Bundeswehr checken und schauen ob alle angelieferten Waffen noch im Depot sind ? Es muss doch so etwas wie ein Bestandsbestaetigung geben, auch wo alte Waffen deponiert werden, usw.

  • D
    dersclumpf

    Hier Stellung beziehen, schluß mit waffenexporten

     

    http://www.campact.de/waffen/sn1/signer

  • K
    Ökomarxist

    Der Export von Rüstungsgütern muss in Deutschland verboten werden.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Was glauben die, warum die Saudis eine Fabrik bauen? Das hat man natürlich nicht erwartet, wer's glaubt, aber so ist man auf der sicheren Seite und verdient trotzdem.