Deutsche Stromversorger: Kunden zahlen Gewinn
Trotz sinkender Einkaufskosten erhöhen viele Lieferanten die Preise für die Verbraucher. Eine neue Studie relativiert die preistreibende Wirkung der Ökoenergie.
BERLIN taz | Deutsche Stromversorger konnten ihre Gewinne zwischen 2009 und 2013 um bis zu 75 Prozent steigern. Dies geht aus einer neuen Studie im Auftrag der Organisation Agora Energiewende hervor. Für einen Durchschnittshaushalt mit 3.500 Kilowattstunden Stromverbrauch bedeute dies jährliche Mehrkosten von etwa 36 Euro. Im Vergleich zu 2009 würden die Verbraucher den Firmen knapp 400 Millionen Euro jährlich mehr überweisen, die diese als zusätzlichen Profit verbuchen.
Die Studie über den „Zusammenhang von Strombörsen- und Endkundenpreisen“ untersucht die Gewinnmargen von Stromversorgern in zehn Musterregionen Deutschlands, darunter Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Dresden und Stuttgart. Agora Energiewende ist eine Denkfabrik in Berlin, in deren Beirat auch die Stromversorger sitzen.
Eine wesentliche Ursache sehen die Gutachter in den gesunkenen Einkaufskosten für Elektrizität an der Strombörse. Diese sind im Vergleich zu den Spitzenwerten seit 2008 um bis zu acht Cent auf sechs Cent pro Kilowattstunde (kWh) zurückgegangen. An ihre Privatkunden haben die Unternehmen diesen erheblichen Kostenvorteil aber kaum weitergegeben.
Der Kostenblock
Um die Gewinnmarge der Stromlieferanten zu berechnen, gehen die Agora-Gutachter von den Endkundenpreisen aus, die Privathaushalte bezahlen – durchschnittlich 28,5 Cent pro Kilowattstunde 2013.
Davon ziehen sie Entgelte, Steuern, Abgaben, die Öko-Umlage und schließlich die Beschaffungskosten der Stromfirmen ab, die diese für den Energieeinkauf bezahlen. Übrig bleibt ein Block aus Vertriebskosten und Gewinn, der seit 2009 in vielen Fällen zunahm.
Mangels Angaben der Firmen können die Gutachter diese beiden Posten nicht voneinander trennen. Weil sie mehr oder weniger stabile Vertriebskosten unterstellen, kommen sie zu dem Schluss, dass die Gewinne gewachsen sein müssen.
Deutlich wird die Entwicklung beispielsweise bei der Grundversorgung mit Strom in der Region Dortmund. Der Kostenblock aus Beschaffung, Vertrieb und Gewinn im Endkundenpreis ist dort laut Studie zwischen 2009 und 2013 um fast einen Cent gestiegen. Ähnlich sieht es in Frankfurt aus.
In Dresden, Stuttgart und Ulm blieben die entsprechenden Kostenbestandteile immerhin stabil. In der Grundversorgung von Düsseldorf und Schwerin sanken sie dagegen. Unter dem Strich kommen die Gutachter zu dem Schluss, dass die Grundversorger ihre Preise eher „gehalten oder erhöht“ haben.
Den Vorwurf überproportionaler Preissteigerungen, den unlängst auch die Verbraucherzentrale NRW erhob, weist eine Sprecherin des Dortmunder Energieversorger DEW21 zurück. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) will sich nicht zu den Gewinnmargen der Unternehmen äußern. „Fest steht aber, dass der Anteil am Strompreis, den die Unternehmen direkt beeinflussen können, immer kleiner wird“, so eine BDEW-Sprecherin, „in diesem Jahr ist die Summe der staatlichen Steuern und Abgaben auf ein neues Rekordhoch geklettert.“
Wie die Verbraucher den steigenden Preisen zumindest teilweise entgegenwirken können, belegen die Verfasser der Studie ebenfalls. In jeder der untersuchten Regionen böten Wettbewerber der Grundversorger deutlich niedrigere Preise an. Haushalte, die in billigere Tarife oder zu anderen Anbietern wechseln, könnten ihre Stromrechnung jährlich um bis zu „250 Euro senken“. Bislang ist den meisten Stromkunden ein Wechsel aber zu lästig. 2011 gingen diesen Weg gerade einmal 7,8 Prozent der Privathaushalte.
Der Hintergrund für die Beauftragung der Studie ist die Debatte über die steigenden Strompreise. Welche Rolle spielen die zunehmenden Kosten der erneuerbaren Energien? Die Gutachter weisen daraufhin, dass nicht nur neue Ökokraftwerke, sondern auch die Gewinne der Stromversorger einen erheblichen Beitrag leisten. Während die Ökoumlage seit 2009 um etwa vier Cent pro kWh gestiegen ist, nahm der Gewinnanteil der Unternehmen um ungefähr einen Cent zu – wobei er der Studie zufolge beträchtlich hätte sinken können.
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