Deutsche Nationalspielerin über Familie: „Ich fühle mich absolut deutsch“
Sara Doorsoun ist eine von drei deutschen Spielerinnen mit Migrationshintergrund. Sie will jungen Frauen zeigen, was sich durch Sport erreichen lässt.
taz: Frau Doorsoun, wie die meisten Nationalspielerinnen sind Sie auf Instagram aktiv. Nach dem Sieg gegen Spanien haben Sie ein Bild inmitten Ihrer Familie gepostet und geschrieben: „No words needed“. Wer hat Sie vor Ort unterstützt?
Sara Doorsoun: Mein Vater, meine Schwester, mein Bruder und mein Onkel.
Gehört es heutzutage dazu, solche Einblicke über die sozialen Netzwerke zu gewähren?
Ich persönlich finde das wichtig. Unsere Torhüterin Almuth Schult macht beispielsweise nichts bei Instagram; also geht es auch ohne. Ich möchte den Leuten etwas von dem zeigen, was wir machen und erleben, ohne natürlich allzu privat zu sein.
Sie sind eine der wenigen deutschen Nationalspielerinnen mit Migrationshintergrund. Mit der Deutschbelgierin Kathrin Hendrich, der in Budapest geborenen Dzsenifer Marozsán und Ihnen sind es nur drei.
Um ehrlich zu sein, beschäftige ich mich nicht so sehr damit. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich mich absolut deutsch fühle, und da kann ich mich zu 100 Prozent mit identifizieren. Natürlich: Meine Mama kommt aus der Türkei, mein Papa aus dem Iran, und aufgrund des Turniers bekomme ich gerade sehr viel positive Resonanz aus dem Iran, die ich davor in dieser Form nicht hatte.
In dieser Hinsicht sehe ich bei mir eine Vorbildfunktion, um Mädels zu zeigen, dass man durch den Sport einiges erreichen kann. Es ist aber nicht meine Aufgabe, ein Urteil abzugeben, warum so wenige Spielerinnen mit Migrationshintergrund dabei sind.
Kennen Sie die Widerstände, denen Mädchen aus dem muslimischen Kulturkreis mitunter in der eigenen Familie begegnen, wenn sie beispielsweise Fußball spielen wollen?
Ehrlich gesagt ist mir diese ganze Thematik erst vergangenes Jahr richtig bewusst geworden, als ich ein Mädchen-Fußballcamp besucht habe. Da spielten viele Mädels mit Migrationshintergrund mit, und mir wurde klar, dass es nicht selbstverständlich war, dass ich Fußball spielen durfte. Dann habe ich mit meinem Vater darüber länger geredet: Ich bin ihm wirklich dankbar, dass ich zum Glück so erzogen wurde, dass ich den Sport machen konnte, den ich so gemocht habe. Ich weiß, dass es anders sein kann.
Sehen Sie sich als Vorbild?
Nein, aber wenn ich die Mädels ermuntern kann, dass die mit ihren Eltern darüber reden, schaut mal, da spielt eine im deutschen Nationalteam mit Migrationshintergrund, macht mich das ein bisschen stolz.
Sie haben einen schwierigen Einstieg in die WM gehabt. Gegen China unterliefen Ihnen zwei Querpässe, die Bundestrainerin Voss-Tecklenburg als „No-go“ bezeichnete.
Ich war wirklich sehr aufgeregt vor diesem Spiel. So kannte ich das in dieser Form nicht von mir. Ich habe mich vielleicht selbst zu sehr unter Druck gesetzt, obwohl es den von außen nicht gab.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf
US-Außenpolitik
Transatlantische Scheidung
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen