piwik no script img

Deutsche Meisterschaften im EiskunstlaufEin großer Wurf

Das neue Eiskunstlaufpaar Savchenko/Massot wird in der Weltspitze ein Wort mitreden. Dass Bruno Massot dabei ist, hat viel Geld gekostet.

Die Sprünge, Hebungen und Würfe des neuen Paares sind von Weltklassequalität. Foto: dpa

Aljona Savchenko möchte am Wochenende in Essen bei den deutschen Meisterschaften im Eiskunstlauf den Paarlauftitel holen. Zum neunten Mal seit 2004. Klingt irgendwie normal, und doch ist diesmal alles anders als in den vorangegangenen Jahren: Der Partner der 31-jährigen fünffachen Weltmeisterin auf dem Eis heißt nicht Robin Szolkowy sondern Bruno Massot. Der ist Franzose, sechs Jahre jünger als sie und kann für seine Eislaufprogramme mit seiner bisherigen Partnerin Daria Popowa als bestes Resultat einen elften WM-Rang vorweisen. An der Bande steht nicht der schillernd-cholerische Ingo Steuer als Trainer sondern der harmoniebedürftige Alexander König.

Und doch: Die Programme, die das neu zusammengestellte Paar in zwei Wettkämpfen in Tallin und Warschau im November aufs Eis zauberte, lassen keinen Zweifel daran, dass sie in der Weltspitze ein Wort mitreden werden. Der deutsche Meistertitel in Essen scheint reine Formsache zu sein.

Nach dem olympischen Winter hatte Savchenkos langjähriger Eispartner Robin Szolkowy im Alter von 35 Jahren seine Laufbahn beendet. Die ehrgeizige Wahl-Chemnitzerin wollte weiter laufen und fand in Massot den Eispartner ihrer Wahl. Künstlerisch kann Massot zwar nicht mit Szolkowy mithalten, aber die Sprünge, Hebungen und Würfe des neuen Paares sind von Weltklassequalität. Dabei kommt ihnen der Größenunterschied zugute: Dem 1,84 Meter großen Massot fällt es leicht, seine nur 1,53 Meter kleine Partnerin durch die Luft zu wirbeln.

Der Traum von Olympiagold

Ziel des neuen Paares ist der Olympiasieg 2018. Savchenko war mit ihrem früheren Partner zweimal als Favoritin bei Olympia gestartet und hatte „nur“ Bronze geholt. Mit Massot soll der Traum von Olympiagold Wirklichkeit werden.

Die in der Ukraine geborene Savchenko trennte sich 2014 mit einem Paukenschlag von Trainer Ingo Steuer, der wegen seiner Stasitätigkeit nicht aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden darf. Die Trennung war spektakulär, weil Trainer und Sportlerin im wahren Leben bis dahin ein Paar waren. Steuer lebt und arbeitet seitdem in Florida und trainiert erfolgreich Paare aus den USA und Südkorea. Savchenko trainiert seit gut einem Jahr mit Massot in Oberstdorf. Wegen des Verbandswechsels war Massot allerdings bis vor vier Wochen für Wettkämpfe gesperrt.

Die Ablöse muss das Paar selbst zurückzahlen: durch Spenden und Erlöse aus Schaulaufen

30.000 Euro hat der französische Eislaufverband der Deutschen Eislauf-Union (DEU) abverlangt, um Anfang November Massot nach eineinhalb Jahren Zwangspause für internationale Wettbewerbe freizugeben. „Aufwandsentschädigung für seine Ausbildung“ heißt das. So etwas ist im Eiskunstlauf nicht üblich, und die Franzosen haben hier eine Art Präzedenzfall geschaffen.

Dass die DEU sich darauf einließ, erklärt ihr Vizepräsident, der Jurist Uwe Harnos, so: „Im Vordergrund muss der Sport stehen. Ein Gerichtsverfahren hätte sich zeitlich in die Länge gezogen und einen Start von Aljona und Bruno noch in dieser Saison unmöglich gemacht.“ Der finanziell klamme Sportverband hat das Geld mit Hilfe des Deutschen Olympischen Sportbundes und des Bundesinnenministeriums ausgelegt. Refinanzieren muss es das Paar selbst: Mit Hilfe von Spenden über ihre Facebookseite, vor allem aber durch ihre Erlöse aus Schaulaufen.

Die Ablöse selbst zahlen

Auch das könnte so etwas wie ein Präzedenzfall sein: Welcher Sportler musste schon seine Ablöse selbst zahlen?

Dass die DEU sich auf den Deal einließ, liegt auch daran, dass bei den diesjährigen deutschen Meisterschaften neben Savchenko und Massot niemand antritt, der international um Medaillen mitläuft. Der mehrfache Herrenmeister Peter Liebers, immerhin Achter der Olympischen Spiele in Sotschi, tritt das zweite Jahr in Folge verletzungsbedingt nicht an.

Bei den Damen konkurriert die amtierende deutsche Meisterin Nicole Schott auf heimischen Eis mit ihrer Vorgängerin Nathalie Weinzierl aus Mannheim und der 16 Jahre jungen Chemnitzerin Lutricia Bock um den Meistertitel und um nur zwei Startplätze bei den Europameisterschaften Ende Januar in Bratislava.

Hoffnung auf eine Rückkehr deutscher Sportler an die Weltspitze keimt für kommende Jahre im Eistanz auf. Kavita Lorenz und Panagiotis Polizoakis laufen erst seit wenigen Monaten zusammen über das Eis. Doch die Leistungen, die die 20-jährige Berlinerin und der ebenfalls 20-jährige in Stuttgart und Oberstdorf aufgewachsene Sohn griechischer Einwanderer in ihren ersten gemeinsamen Wettkämpfen zeigten, sind vielversprechend. In Essen dürften sie ihrem ersten deutschen Meistertitel entgegenlaufen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!