Deutsche EU-Politik: Bundestag mit mehr Einfluss
Die Bundesregierung muss mit dem Bundestag verhandeln, wenn sie bei EU-Vorhaben von Parlaments-Vorgaben abweichen will. Bisher machen Abgeordnete von ihren Rechten wenig Gebrauch.
FREIBURG taz | Der Bundestag bekommt neue gesetzliche Rechte in der Europapolitik. Darauf haben sich die Unterhändler von Union, SPD, FDP und Grünen geeinigt. Die Abgeordneten können künftig wirksamer Einfluss auf die Verhandlungsführung der Bundesregierung bei EU-Vorhaben nehmen.
Wenn die Bundesregierung eine Vorgabe des Bundestags in Brüssel nicht umsetzen kann, darf sie im Ministerrat nicht zustimmen, sondern muss einen Parlamentsvorbehalt einlegen. Sie berichtet dem Bundestag unverzüglich über das Dilemma und bemüht sich um eine neue gemeinsame Linie. Wenn der Bundestag dann immer noch unerfüllbare Vorgaben macht, darf die Regierung nur aus "wichtigen außen- und integrationspolitischen Gründen" hiervon abweichen.
Diesen Mechanismus sieht nun das novellierte "Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bundestag in EU-Angelegenheiten" (EUZBBG) vor, auf den sich die Unterhändler am Dienstagnachmittag geeinigt haben. Eine Änderung des Grundgesetzes ist nicht vorgesehen. Dort heißt es, dass die Regierung Stellungnahmen des Bundestags zu EU-Vorhaben nur "berücksichtigen" muss.
Die Pflicht, vor der Abweichung noch einmal mit dem Parlament zu verhandeln, ist nicht neu. Sie steht in einer Vereinbarung, die Regierung und Parlament bereits 2006 unterzeichnet haben. Jetzt wurde sie aber in das EUZBBG übernommen.
Hauptproblem ist bisher nicht die Verbindlichkeit der Stellungnahmen, sondern dass die Abgeordneten wenig Lust auf Europapolitik verspüren. Wenn Stellungnahmen verabschiedet werden, dann sorgt die Mehrheit in der Regel dafür, dass der Bundestag die Regierungslinie unterstützt. Dementsprechend musste bisher die Regierung auch nur sehr selten von Vorgaben des Bundestags abweichen.
Beobachter hoffen jedoch, dass die neue Regelung im Gesetz Signalwirkung hat und sich die Abgeordneten künftig mehr engagieren. Immerhin sind ihre Informations- und Mitwirkungsrechte dank gesetzlicher Regelung künftig einklagbar und wurden auch leicht ausgeweitet.
Ab Donnerstag sollen die Fraktionen beraten, ob sie das Gesetz mittragen. Es wird damit gerechnet, dass nur die Linke nicht mitmacht.
Am 8. September soll das novellierte EUZBBG verabschiedet werden - gemeinsam mit einem Begleitgesetz zum EU-Reformvertrag. Letzteres hatte das Bundesverfassungsgericht gefordert. Auch informelle Vertragsänderungen sollen nur mit Billigung des Bundestags zustandekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken