Deutsche Bilanz der Ski-WM: Nur ein gutes Ende
Im abschließenden Slalom holt Linus Straßer für das deutsche Team bei der Ski-WM doch noch Bronze. Die maue Bilanz ist ein Spiegelbild der Saison.
Am Ende hat das noch geklappt, und Linus Straßer hätte es kaum spannender machen können beim abschließenden Slalom der alpinen Skiweltmeisterschaften. Oder besser, die Konkurrenz hat es spannend gemacht. Als der Halbzeitführende Clément Noël aus Frankreich als Letzter startete, hatte sich der 32-Jährige vom TSV 1860 München fast schon mit Blech, mit dem vierten Platz, abgefunden. Loïc Meillard aus der Schweiz und der Norweger Atle Lie McGrath waren schneller gewesen, und er lag deshalb auf dem berühmten Schleudersitz. „Ich dachte, Noël lässt sich das nicht mehr nehmen“, sagte er.
Der Franzose machte seine Sache gut, bis zur Hälfte des Laufs, dann schied er aus – und Straßer hatte Bronze. Er rettete damit ein bisschen die Bilanz des Deutschen Skiverbands – und vor allem seine Saison. Die hatte nicht gut begonnen. In Gurgl verpasste er nach einem schweren Fehler das Finale der besten 30, in Val-d’Isère und Alta Badia schied er im zweiten Durchgang aus. Erst im neuen Jahr ging es aufwärts.
Langsam kehrte die Selbstverständlichkeit zurück, die Sicherheit zwischen den Toren. Bis auf ein Mal gehörte Straßer immer zu den sechs, aber eben nie zu den drei Besten. In Schladming hatte er im letzten Slalom vor der WM nach dem ersten Durchgang geführt, dann steckte ausgerechnet der eigene Trainer, Stefan Kogler, einen Kurs, der so gar nicht auf ihn zugeschnitten war. Straßer wurde Vierter und machte anschließend im Interview mit dem BR Fernsehen keinen Hehl aus seinem Ärger – auf Kogler. Die Missstimmung war aber schnell wieder behoben. Der Kurs sei drehender geworden, als es der Trainer beabsichtigt habe, erzählt Straßer vor ein paar Tagen.
Einen Tag davor hatte Wolfgang Maier, Sportvorstand im Deutschen Skiverband, bereits deutliche Selbstkritik geübt. Das Ziel, um die Medaillen mitzufahren, sei verfehlt worden, sagte er, gab aber auch zu: „Die WM war ein Spiegelbild der Saison.“
„Ganz gute Ansätze“
Daran änderte auch diese Bronzemedaille von Straßer nicht viel. Maier hatte so eine ähnliche WM schon einmal erlebt. 2007, in seinem ersten Jahr als Alpinchef, waren die Deutschen in Are leer ausgegangen. Nicht ganz überraschend, weil es aufgrund der Vorleistungen keine Medaillenfavoriten gab. Die Arrivierten konnten in Åre nicht mehr mithalten und die Jungen noch nicht ganz, setzten aber mit ein paar guten Ergebnissen schon Akzente.
Damals hatte Maier personelle Konsequenzen gezogen, den Cheftrainer der Männer ausgetauscht und noch ein paar andere Umbesetzungen vorgenommen. Schon zwei Jahre später war der Generationenwechsel vollzogen, jedenfalls bei den Frauen. Die holten zweimal Gold.
Auch dieses Mal, findet Maier, „dass wir schon eine Perspektive haben“. Er verweist auf die Auftritte von Emma Aicher in Abfahrt und Super-G (jeweils Sechste) und bei den Männern im Riesenslalom. Nach der Verletzung des Besten, Alexander Schmid, „waren wir da komplett verschwunden“, sagte Maier, Aber Anton Grammel hat mit seinem zwölften Platz und Laufbestzeit im zweiten Durchgang gezeigt, „dass hinten was nachkommt“. Es habe „ganz gute Ansätze“ gegeben, stellte der DSV-Sportvorstand fest, „aber es fehlt uns halt der Punch aufs Podium“.
Verbesserungspotenzial sieht Maier in der Skitechnik. Auf die Veränderungen, „die Pistenpräparierung und Material mit sich bringen, müssen wir uns besser einstellen“, findet er. Aber auch bei der mentalen Wettkampfhärte hat er Defizite erkannt. „Wir müssen es schaffen, dass wir unsere Athleten in eine Position versetzen, wo sie sich zutrauen, mit den Besten mitzufahren.“ Neben dem Können sei die eigene Überzeugung ausschlaggebend.
Damit meinte er sicher nicht Straßer, der dem Druck am Sonntag standhielt. Anders als Lena Dürr, die in dieser Saison für die einzigen DSV-Podestplätze gesorgt hatte. Die WM-Dritte von Courchevel/Méribel 2023 war nach den Vorleistungen in dieser Saison am Samstag sogar noch aussichtsreicher als Straßer in den Slalom gestartet und deshalb enttäuscht, als es nur für Platz acht reichte.
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