Deutsche-Bank-Angestellte zittern: Aufsichtsrat prüft Jobkürzungen
Deutschlands größtes Geldhaus steht vor einem Neuanfang. Mit bis zu 20.000 Mitarbeitern weniger. Erstes Opfer: der Investmentbank-Chef.
Schon wenige Wochen nach seinem Amtsantritt im April 2018 hatte der auf den Chefsessel katapultierte Privatkundenchef angekündigt, dem jahrelangen Durchwurschteln mit zuvor drei Verlustjahren in Folge ein Ende zu bereiten. „Wir werden den Kurs unserer Bank jetzt ändern. Es gibt keine Zeit zu verlieren“, betonte Sewing damals. Bei der diesjährigen Hauptversammlung legte Sewing nach: „Wir haben immer noch zu hohe Kosten, die wir nicht direkt einer Leistung für unsere Kunden zuordnen können.“
15.000 bis 20.000 Jobs sollen nun auf der Kippe stehen. Mehr als jede fünfte der zuletzt knapp 91.500 Vollzeitstellen könnte also gestrichen werden. Wie stark der Kahlschlag die einzelnen Bereiche treffen wird, ist noch nicht durchgesickert. Klar scheint jedoch: Investmentbanker, die für die Deutsche Bank in den USA mit Aktien und Finanzinstrumenten handeln, müssen sich auf einiges gefasst machen.
Denn viele Geschäfte, mit denen die Deutsche Bank vor 20 Jahren ansetzte, die New Yorker Wall Street zu erobern, wurden immer mehr zur Last. Statt für Milliardengewinne steht die Sparte seit der Finanzkrise 2007/2008 für Milliardenstrafen.
Milliardenboni trotz Verlusten
Dass Deutschlands größtes Geldhaus dennoch Milliarden an Boni ausschüttet, verstehen viele Aktionäre nicht – zumal sie selbst seit Jahren mit Mini-Dividenden abgespeist werden. Und auch der Kurs der Aktie macht wenig Hoffnung: Vom Höchststand von mehr als 90 Euro vor der Finanzkrise ist das Papier mit zuletzt rund 7 Euro meilenweit entfernt.
In den vergangenen beiden Quartalen schrieb die Investmentbank rote Zahlen. Schon als Sewing im Mai einen radikalen Umbau ankündigte, ließ er keinen Zweifel daran, dass bei den Kürzungen eben dieses Kapitalmarktgeschäft im Zentrum stehen würde.
Am Freitag wurde bekannt, dass der Investmentbankchef der Deutschen Bank, Garth Ritchie, Ende Juli zurücktreten wird. Konzernchef Sewing werde die Verantwortung für die Unternehmens- und Investmentbank übernehmen, teilte die Bank mit. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete gar von einer Zerschlagung der einst glorifizierten Sparte.
Demnach erwägt der Vorstand, eine neue Sparte („Corporate Bank“) zu schmieden, in der die Betreuung von Unternehmenskunden gebündelt wird. Teil dieser Einheit soll demnach die Transaktionsbank (GTB) werden, die sich um den weltweiten Zahlungsverkehr sowie Wertpapier- und Kreditgeschäfte für Unternehmen, Finanzinstitute und andere Großkunden kümmert.
In den Überlegungen spielt Medienberichten zufolge auch eine interne „Bad Bank“ eine Rolle. Der Deutsche-Bank-Vorstand erwäge, lang laufende Derivate im Volumen von bis zu 50 Milliarden Euro in eine interne Abwicklungseinheit auszulagern, um die Bilanz zu entlasten.
Radikaler Umbau beim Investmentbanking
Die Mitarbeiter in der US-Zentrale der Deutschen Bank jedenfalls machen sich Berichten zufolge keine Illusionen. In den Büros in New York hätten sich bereits vor Tagen braune Umzugskisten gestapelt, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Im dortigen Handelssaal sei zeitweise ein Großteil der Stühle leer geblieben. Einige der Mitarbeiter, die zum Dienst erschienen, hätten offen im Internet nach Jobs bei der Konkurrenz gesucht.
Ende 2018 zählte die Deutsche Bank in ihrem Nordamerika-Geschäft, das vorwiegend aus den USA gesteuert wird, 9275 Vollzeitstellen. Die Unternehmens- und Investmentbank im engeren Sinne hatte Ende März des laufenden Jahres 17 117 Vollzeitstellen.
Für Kritik auf Aktionärsseite hatte unter anderem die relativ üppige Bezahlung Ritchies gesorgt. 8,6 Millionen Euro kassierte der Manager inklusive Boni für das Geschäftsjahr 2018 – mehr als Sewing (7 Mio Euro) und fast genauso viel wie die sieben Vorstände der Commerzbank zusammen, die beinahe zum Fusionspartner geworden wäre.
Als Wackelkandidatin gilt auch Sylvie Matherat, die seit November 2015 für Regulierungsthemen zuständig ist. Kratzer bekam das Image der ehemaligen Bankenaufseherin, weil die Finanzaufsicht Bafin der Deutschen Bank einen Sonderaufpasser in Sachen Geldwäsche-Prävention verpasste. Auch eine Razzia Ende November 2018 wegen des Vorwurfs, Mitarbeiter hätten Kunden bei der Geldwäsche geholfen, warf kein gutes Licht auf den von der Französin verantworteten Bereich.
Als sicher gilt: Bei kosmetischen Korrekturen wird es dieses Mal nicht bleiben. Denn das Zinsumfeld wird absehbar nicht einfacher und die internationale Konkurrenz zieht immer mehr davon. Die Idee, gemeinsam mit der Commerzbank eine schlagkräftigere Einheit zu schaffen, wurde verworfen. Aufsichtsratschef Paul Achleitner betonte bei der Hauptversammlung, die Deutsche Bank könne nicht weitermachen wie bisher: „Wir müssen noch schneller und radikaler umbauen.“
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