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Deutsche Ausnahmen

■ Europas Agrarminister einigten sich

Brüssel (AFP/dpa/taz) – Gestern früh morgens war der Deal perfekt. Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU) hatte in den langen Nachtsitzungen des Brüsseler Agrarministerrates beharrlich die Forderung des französischen Kollegen nach Kompensationszahlungen für mögliche Gatt-Verluste unterstützt. Frankreichs Agrarminister wiederum entdeckte nun umgekehrt eine plötzliche Liebe für Deutschland, das durchaus einer Sonderbehandlung bedürfe: ungewöhnliche Töne aus dem sturen Frankreich.

Dabei wollten die Minister eigentlich nur einen Rechenfehler bereinigen. Jochen Borcherts Amtsvorgänger Kiechle hatte die Ackerfläche der ehemaligen DDR um etwa 350.000 Hektar zu klein angegeben. Damit schien den Kollegen die Geschäftsgrundlage der Stillegungsprämien verletzt, die sie soeben in der Agrarreform vereinbart hatten. Sie verlangten umgehend, die überzähligen Flächen ersatzlos aus dem Verkehr zu ziehen.

Zusammen mit dem in der Agrarreform ohnehin vorgeschriebenen Abbau von Ackerflächen hätte in Mecklenburg-Vorpommern etwa ein Drittel des heute genutzten Ackerlandes brachgelegt werden müssen. Es darf nun – mit Frankreichs Hilfe – etwas mehr bleiben: Die ostdeutsche Anbaufläche soll 1994 um 181.000 Hektar aufgestockt werden, dazu kommen zunächst für drei Jahre weitere 150.000 Hektar. Erst dann müsse der Überschuß „schrittweise“ beseitigt werden.

Aber auch ein überwiegend westliches Anliegen des Deutschen Bauernverbandes fand Gehör: Mit der Währungskrise im vergangenen Sommer drohten den deutschen Bauern Einkommensverluste, weil die Verrechnungseinheit Ecu gegenüber der Mark an Wert verlor. In Zukunft, so haben die Minister jetzt beschlossen, dürfen die Mitgliedsregierungen solche Differenzen aus der Staatskasse ausgleichen, wenn ihre nationale Währung mehr als fünf Prozent vom Ecu abweicht.

Aber nicht nur vom Devisenmarkt bleibt die Eurolandwirtschaft verschont. Die Ministerrunde hat außerdem genau festgelegt, wer wieviel an Raps, Sonnenblumen und Sojabohnen anbauen darf. Mit den USA, dem Hauptexporteur solcher Ölsaaten, wurde in im Rahmen des Gatt-Kompromisses eine europäische Obergrenze von 5,128 Millionen Hektar vereinbart. Nun ging's ans Eingemachte: 930.000 Hektar bekommen die Deutschen insgesamt, davon gehen 370.000 Hektar an die Ostdeutschen, das sind 126.000 Hektar mehr als bisher. nh

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