Deutsch-syrische Klinikpartnerschaften: Gesundheit für Syrien
Nach dem Sturz Assads ist der Zustand der Krankenversorgung im Land desaströs. Kooperationen mit deutschen Partnern sollen helfen.
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sagte bei der Auftaktveranstaltung, Deutschland habe die historische Chance, in Syrien bei der Sicherung einer friedlichen Zukunft zu helfen. Für einen funktionierenden Staat, brauche es dabei ein stabiles Gesundheitssystem.
Derzeit ist die Lage in Syrien desaströs: Mindestens 15 Millionen Syrer*innen haben keinen angemessenen Zugang zu Gesundheitsversorgung. Wegen der Sanktionen, die noch immer gelten, fehlt es an allem: Medizinische Geräte werden nicht repariert, weil Ersatzteile nicht importiert werden können. In den Krankenhäusern fehlen funktionierende Krankenwagen, die Aufzüge sind kaputt, die Gebäude wegen des Krieges zerstört oder marode. Es fehlen Medikamente und einfache Ausstattung, wie Verbandsmaterial, Spritzen oder Kochsalzlösungen.
Unbürokratisch und langfristig
Die Klinikpartnerschaften sollen schnell und unbürokratisch Hilfe leisten. Sie sind als langfristige Projekte über mehrere Jahre angelegt. Die deutschen Partner sollen bei der Finanzierung und Beschaffung von medizinischen Geräten, Ausstattung und Medikamenten helfen, Expertise teilen und Fortbildungen in Syrien und in Deutschland anbieten.
Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat 15 Millionen Euro für das Programm bewilligt. Die Mittel gehen dabei nicht an die syrische Übergangsregierung, sondern nur an lokale Hilfsorganisationen und Krankenhäuser. Geplant sind zunächst mindestens 20 Partnerschaften. Die Projekte soll es im ganzen Land geben, mit Angeboten für alle Bevölkerungsgruppen, für Frauen, Kinder und ethnische Minderheiten.
Das Engagement der syrischen Ärzt*innen sei ein „Spagat für Deutschland“, sagte Schulze. Denn das Land könne und wolle auf diese Menschen nicht verzichten. Im deutschen Gesundheitssystem arbeiten etwa 6.000 Ärzt*innen mit syrischem Pass und weitere 4.000 Ärzt*innen mit syrischen Wurzeln. Zahlreiche Kranken- und Altenpfleger*innen, Apotheker*innen und weitere Beschäftigte im Gesundheitssektor kommen hinzu. Die Klinikpartnerschaften seien auch deswegen gut für Deutschland, weil sie Syrer*innen die Möglichkeit gebe, in ihrem Heimatland zu helfen, ohne dem deutschen System sofort abhanden zu kommen, so Schulze.
Großer Bedarf an psychologischer Versorgung
Der syrisch-deutsche Augenarzt Iyad Durmus ist im Januar gemeinsam mit der Entwicklungsministerin nach Syrien gereist, um dort die Bedarfe der Krankenhäuser festzustellen. „Da kommt ein große Aufgabe auf uns zu“, sagte er zur Auftaktveranstaltung. Auch in Syrien würde das Treffen in Berlin wahrgenommen, für Mediziner*innen dort sei es ein Hoffnungsschimmer. Heute ginge es darum, zu entscheiden, wo anzufangen sei: „Da sind so viele Trümmer. Wir wollen Stein für Stein wieder aufbauen.“
Auch der Bedarf nach psychologischer Versorgung ist in Syrien riesig, sagte Sara Mohamad, Psychiaterin und Psychotherapeutin an der Charité Berlin. Dort gebe es viele Menschen mit traumatischen Erfahrungen, Binnenflüchtlinge, Folteropfer oder Familien, die voller Ungewissheit auf Nachricht über Vermisste warten. Mohamad hat Syrien 2017 verlassen, so wie die meisten ihrer Kolleg*innen.
Im ganzen Land würden nur noch etwa 45 Fachärzt*innen für Psychiatrie arbeiten, schätzt sie. Für traumatisierte Syrer*innen müsse es sofort Hilfe geben. Kurzfristig könnte Psychoedukation, also fachliche Aufklärung, für Mediziner*innen und Betroffene helfen. Langfristig müssten Medizinstudent*innen wieder für Psychiatrie und Psychologie begeistert und bei der Ausbildung unterstützt werden.
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