Deutsch-niederländischer Streit: Holland lehnt deutsche Windräder ab
Grenzkrach in der Nordsee: Angeblich liegt ein deutscher Offshore-Windpark auf niederländischem Hoheitsgebiet.
HANNOVER taz Nicht nur beim Fußball schlagen die Wellen zwischen den Niederlanden und Deutschland hoch. Jetzt ist ein Krach über den Grenzverlauf zwischen kleinem und großen Nachbarn ausgebrochen. Ein vom friesischen Unternehmen Enova geplanter Windpark in der Nordsee liege "teilweise in einem von den Niederlanden beanspruchten Gebiet", heißt es in einem bitterbösen Brandbrief des Außenministeriums in Den Haag an den Kollegen Frank-Walter Steinmeier in Berlin. Das Schreiben vom 3. Juli liegt der taz vor.
"Niederländische Einwände und Bedenken sind sämtlich unberücksichtigt geblieben", schreibt Außenminister Maxime Verhagen ohne diplomatische Floskeln an Steinmeier. Das Projekt sei "nicht mit den niederländischen und europäischen Rechtsvorschriften vereinbar, was große Probleme nach sich ziehen könnte".
Seit Jahren stören sich die Niederländer an dem Projekt namens Borkum Riffgatt. Er liegt innerhalb der 12-Seemeilen-Zone vor Niedersachsen und dem holländischen Nordosten. Enova will im Jahr 2012 rund 15 Kilometer nordwestlich von der Nordinsel Borkum auf einer Fläche von sechs Quadratkilometern 44 insgesamt 164 Meter hohe Windspargel in den Meeresgrund rammen. Ihre Gesamtleistung: rund 260 Megawatt. Genug, um rund 300.000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Die Windmühlen sollen als Testanlagen für geplante Räder auf hoher See dienen.
Die Niederländer stört jedoch neben der Grenzfrage, dass die Windriesen mit einem Rotordurchmesser von 127 Metern von der Nordseeinsel Schiermoonikoog aus zu sehen sein könnten. So bringt das Außenministerium in dem Brief seine "Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass Deutschland nicht beabsichtigt, die niederländische Horizontschutzpolitik in vollem Umfang zu respektieren". Außerdem wird kritisiert, dass niederländisches Wattenmeer von deutschen Stromkabeln durchschnitten werden soll. Für mögliche Schiffsunfälle oder den Schutz von Meeressäugern seien keine Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden. Seit 2003 versuchen sie, das Treiben der Deutschen zu stoppen.
Von deutscher Seite aus schien der Grenzkrach schon im Dezember geklärt. Das von der Niedersächsischen Staatskanzlei eingeschaltete Auswärtige Amt "beehrte" damals "die Botschaft des Königreichs der Niederlande" mit einer sogenannten Verbalnote. Im hübschesten Diplomatendeutsch und "nur aus Gründen der Courtoisie und im Geiste guter Nachbarschaft" belehrte das Amt damals den Nachbarn darüber, dass nach seiner Ansicht der Windpark "im deutschen Hoheitsgebiet errichtet werde". Da so eine Note nach allen diplomatischen Spielregeln nur verfasst werde, "wenn beide Seiten zuvor darüber gesprochen haben", glaubte damals Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), "dass es jetzt zu einer Duldung von niederländischer Seite kommt". Beim Scheitern des Projekts drohen Schadensersatzforderungen von Enova in Millionenhöhe. Das zuständige Gewerbeaufsichtsamt hatte der Firma schon im Januar einen positiven Vorbescheid geschickt.
Die Niederlande reagierten gut sieben Monate später mehr als verschnupft. Denn genau geklärt ist der Grenzverlauf zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik im Bereich der Emsmündung seit dem Zweiten Weltkrieg nicht. Immerhin "unterstreicht" das Außenministerium in Den Haag nun sein "großes Interesse", an der "Festlegung einer Grenze in der Zone zwischen drei und zwölf Seemeilen", um die "bestehende Rechtsunsicherheit" zu beseitigen. "Wir werden eine Lösung finden, die den vertrauensvollen deutsch-niederländischen Beziehungen gerecht wird", sagte ein Sprecher des deutschen Außenministeriums auf Nachfrage.
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