Deutsch-französischer Ministerrat: „Gut geölte Kompromissmaschine“
Macron und Scholz wollen beim Ministerrat Einigkeit präsentieren, doch die Ergebnisse sind wenig konkret. Fragen zur Panzerlieferung bleiben offen.
Der Feier des 60. Jahrestags der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags gab den Anlass, sich Gedanken über eine Partnerschaft zu machen, die in Europa zu Recht oder zu Unrecht als Modell bezeichnet wurde. In etlichen Medienbeiträgen sind sich die befragten Historiker*innen und Politolog*innen einig: Diese am 22. Januar 1963 von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle besiegelte Versöhnung und anschließende Zusammenarbeit war und ist ebenso notwendig wie unersetzbar.
Dies zu wiederholen, war umso nützlicher, da sich – vor allem seit dem Amtsantritt von Bundeskanzler Olaf Scholz – die Probleme der gegenseitigen Verständigung und Abstimmung so sehr häuften, dass der für Ende Oktober geplante gemeinsame Ministerrat in Fontainebleau abgesagt werden musste. Er wurde auf den historischen 22. Januar verschoben.
Von den Verstimmungen sollte bei der Jubiläumsfeier nichts mehr zu sehen sein. Vor der Pariser Sorbonne-Universität, wo der Festakt zum historischen Anlass im Beisein von zahlreichen Ministern und Abgeordneten beider Länder stattfand, empfing Staatspräsident Emmanuel Macron seinen Ehrengast mit einer herzlichen Umarmung. In seiner Rede verglich er überschwänglich die beiden durch den Élysée-Vertrag verbündeten Länder als „zwei Seelen in einer Brust“und schwärmte: „Für einen Franzosen über Deutschland zu sprechen, heißt, über einen Teil von sich selber zu sprechen.“
Viel nüchterner war das Bild des deutschen Kanzlers, für ihn ist der „deutsch-französische Motor eine Kompromissmaschine – gut geölt, aber zuweilen eben auch laut und gezeichnet von harter Arbeit“. Und als Antworte auf die zu erwartende Jubiläumsrhetorik der Gastgeber meinte er: „Seinen Antrieb bezieht er nicht aus süßem Schmus und leerer Symbolik, sondern aus unserem festen Willen, Kontroversen und Interessenunterschiede immer wieder in gleichgerichtetes Handeln umzuwandeln.“
Vision einer verstärkten europäischen Souveränität
Kontroversen gab es gerade kürzlich genug, und über einen Mangel an Symbolik konnte sich Scholz in Paris ebenfalls nicht beklagen. Nicht zufällig hatte Macron die Sorbonne als Ort der Feier gewählt. Denn hier hatte er am 26. September 2017 seine Grundsatzrede zu seiner ambitionierten Vision einer verstärkten europäischen Souveränität gehalten. Viel Echo oder gar Unterstützung hatte er aus Berlin nie bekommen.
Scholz kam nicht darum herum, dem französischen Präsidenten für diesen Versuch, „Europas Souveränität zu stärken“, wenigstens nachträglich seinen Dank auszusprechen. Wie Macron schon vor fünf Jahren verlangt hatte, müssten „im Wettbewerb um moderne Technologien, bei der Sicherung von Rohstoffen, bei der Energieversorgung oder in der Raumfahrt“ die Kräfte in Europa dort vereint werden, wo die Nationalstaaten allein überfordert wären.
Macron möchte da viel weitergehen: Erforderlich sei eine deutsch-französische Pionierarbeit, damit die EU nicht nur mit der Strategie „Made in Europe 2030“ eine Spitzenposition in der innovativen Industrie einnimmt, sondern auch politisch als Macht ernst genommen werden muss.
Emmanuel Macron
Die Ergebnisse des gemeinsamen Ministerrats, die Ende des Nachmittags vorgestellt wurden, tönen im Vergleich zu vage und etwas hohl. Die geplanten Maßnahmen gegen den amerikanischen Protektionismus des Inflation Reduction Act dagegen bleiben eine allgemeine Absichtserklärung. Immerhin soll Deutschland sich zur Zusammenarbeit im Bereich der Wasserstoffproduktion der iberisch-französischen Gruppe H2Med anschließen. Auch bei den Gasimporten soll die Kooperation verbessert werden.
Und auch in der Diskussion über militärische Rüstung möchte man sich mit einer Aufgabenteilung näher kommen: Frankreich entwickelt den neuen Kampfjet, während Deutschland den gemeinsame Panzer konstruiert.
Weiterhin offen bleibt auch die Frage der Lieferung von schweren Panzern, vom Typ Leopard 2 aus Deutschland und Leclerc aus Frankreich, an die Ukraine. Scholz berief sich auf weitere Diskussionen mit den Alliierten, und Macron meinte unverbindlich: „Nichts ist ausgeschlossen.“ Er fügte aber an, es gelte eine „Eskalation zu vermeiden“. Außenministerin Annalena Baerbock meinte nach einem Treffen des gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitsrats, Deutschland werde sich nicht widersetzen, wenn Polen seine Leopard-Panzer in die Ukraine schicke.
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