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Deutsch-Türkische Community und YücelSchadenfreude nur im Netz

Vor allem Linke und Intellektuelle solidarisieren sich mit dem Journalisten Deniz Yücel. Einige wissen von seiner U-Haft in der Türkei noch gar nichts.

Die großen Verbände halten sich zurück. Die Person im Bild nicht, sie fährt in Frankfurt Korso Foto: dpa

Berlin taz | „Geh mir weg damit“, sagt der türkische Zeitungsverkäufer in Berliner Stadtteil Kreuzberg zu der Journalistin, als sie ihn nach seiner Meinung zu Deniz Yücel fragt. So wie er winken viele Deutschtürken ab, wenn sie zum Fall des inhaftierten Korrespondenten Stellung nehmen sollen. Viele haben davon aber auch noch gar nicht gehört.

In den türkischen Medien sei der Fall bislang kein Thema, sagt Gökay Sofuoglu, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland. „In der Türkei ist das kein Thema, solange die Regierung es nicht zum Thema macht.“ Die ­regierungsnahen türkischen Zeitungen, die auch in Deutschland erscheinen, schrieben gar nicht darüber. Und wer über deutsche Medien davon erfahre, reagiere oft reflexhaft. „Viele AKP-Anhänger sehen darin nur einen weiteren Beleg für Türkeibashing.“

Sofuoglu rät der deutschen Politik, „im Hintergrund zu arbeiten und die diplomatischen Beziehungen spielen zu lassen, statt mit politischen Parolen punkten zu wollen“. Auf die Forderung nach einer Freilassung Yücels werde sich Erdoğan immer mit Verweis auf die Unabhängigkeit der Justiz herausreden.

Es sind eher linke und intellektuelle Kreise, die sich mit dem Journalisten solidarisieren. Bei der Protestkundgebung vor der türkischen Botschaft am Dienstag in Berlin sprach auch Shermin Langhoff, Intendantin des Berliner Maxim Gorki Theaters. Die großen deutsch-türkischen Islamverbände halten sich dagegen bislang zurück, eine Presseerklärung gibt es von ihnen nicht. „Die Arbeit von Deniz Yücel kann man mit guten Gründen kritisieren“, sagt der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş, Bekir Altaş, der taz. Aber: „Nach dem, was bisher bekannt wurde, ist die Verhaftung nicht nachvollziehbar.“

Für den Vorsitzenden der Kurdischen Gemeinde, Ali Ertan Toprak, ist der Fall Yücel ein „Beweis für das Scheitern der bisherigen deutschen Türkeipolitik“. Er fordert, alle EU-Gelder für die Türkei zu stoppen, „deutsche Soldaten sofort aus der Türkei abzuziehen und ein Einreiseverbot für alle AKP-Politiker und Medien zu verhängen“.

Zustimmung zur Inhaftierung Yücels findet sich im Netz. Der türkisch-nationalistische Videoblogger Bilgili Üretmen etwa wirft dem Journalisten vor, er habe sich an den „illegalen“ Gezi-Protesten beteiligt und Propaganda für die PKK gemacht, darum sitze er zu Recht im Gefängnis. „In der Türkei gibt es Recht und Gesetz“, sagt er. Deutschen Politikern und Medien unterstellt er „Türkeihass und Islamhass“.

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