Deutsch-Chinesisches Gipfeltreffen: Krise stiftet Freundschaft
Deutschland und China vereinbaren angesichts der Krise stärker in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen und Klima zu kooperieren. Alle Spannungen scheinen vergessen.
BERLIN taz Bundeskanzlerin Angela Merkel und Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao haben am Donnerstag in Berlin angesichts der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise die gemeinsamen Interessen beider Länder betont. Deutschland und China sind als Exportweltmeister auf offene Märkte angewiesen. Die Regierungschefs einigten sich, dass beide Seiten sich künftig stärker über ihre Wirtschafts-, Handels-, und Finanzpolitik austauschen wollen. Zugleich betonten sie, das in den ersten elf Monaten 2008 auf 85,6 Milliarden Euro angewachsene bilaterale Handelsvolumen auch in Krisenzeiten zu halten, wenn nicht gar auszubauen.
Merkel sprach nach dem Treffen vor Journalisten von einer "freundschaftlichen und strategischen Beziehung" zu China. Umgekehrt überschüttete Wen die Deutschen mit Nettigkeiten, die in dem Satz gipfelten: "Der Besuch in Deutschland bereitet mir wirklich gute Laune."
Wie in Luft aufgelöst erschienen die Spannungen, die Merkels Empfang des von Peking zum Paria erklärten tibetischen Dalai Lama 2007 ausgelöst hatten. Jetzt erklärte sie, die Freundschaft zu China erlaube auch Gespräche über Tibet, und bot Wen an, Gespräche zwischen Peking und Vertretern des Dalai Lama einfädeln zu helfen, wenn China dies wünsche. Wen hütete sich, darauf einzugehen, und schaute lieber nach vorn. "Zuversicht" war das von ihm am meisten benutzte Wort und Zweckoptimismus seine Strategie. Ja, wir haben Probleme, aber wir bekommen sie in den Griff, wobei uns die Zusammenarbeit hilft, lautete seine willkommene Botschaft.
Wie bei solchen Besuchen üblich, wurde eine Reihe von Verträgen unterzeichnet. Die Regierungen vereinbarten eine Kooperation im Bereich Klimaschutz und Energie und wollen eine entsprechenden Arbeitsgruppe einsetzen. Im Kulturbereich wurde für 2010 in Peking eine Ausstellung "Die Kunst der Aufklärung" mit Bildern aus deutschen Museen vereinbart.
Im Wirtschaftsbereich fehlen die aus Boomzeiten gewohnten Megaabschlüsse. Doch bemerkenswert ist, dass der chinesische Baumaschinenhersteller Sanyi bei Köln für bis zu 100 Millionen Euro eine Fabrik samt Forschungslabor und 600 Arbeitsplätzen bauen will. Das dürfte eines der größten chinesischen Projekte in Europa sein. ThyssenKrupp unterzeichnete eine Absichtserklärung über den Transfer eines Teils der Transrapidtechnologie, damit die Schanghaier Strecke weiter ausgebaut werden kann. Daimler vereinbarte den Bau von Lkw in China.
Während die Manager im Beisein der Politiker die Abkommen unterzeichneten, demonstrierten vor dem Kanzleramt Anhänger der in China verfolgten Sekte Falun Gong und Tibetgruppen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen