piwik no script img

Detektivbär mit Drink

Fotos von Roswitha Hecke in der aplanat Galerie

Fies, superfies sogar, wie Wolf Wondratschek seinen Vorredner anlässlich der Eröffnung der Ausstellung von Roswitha Hecke aus dem Konzept brachte. Denn der eröffnete seine Begrüßung ausgerechnet mit einer Danksagung an die Sponsoren. Und wurde auch prompt von dem ehemaligen angry young man der deutschen Literatur unterbrochen. Man müsse sich doch vor allem vor dem Werk, vor der Künstlerin verbeugen. Und so weiter und so fort.

Natürlich hatte der Dichter und Pop-Poet Recht. Und sein nicht ganz uneitles Dazwischengemecker sei ihm verziehen, vor allem auch, weil er einmal in die Protagonistin dieses Abends verliebt war. Und vor allem: Wondratscheks biographisch geprägte Einführungsrede machte neugierig auf diese Bilder, die während einer gemeinsamen Zeit in New York entstanden.

Die Hamburger Fotografin Roswitha Hecke und Wondratschek waren in den siebziger Jahren ein dream team anspruchsvoller Reisereportagen. Zu einer Zeit also, als sich Verlage so etwas noch leisten konnten. Nebenbei verfolgte Hecke eigene fotografische Ziele. So entstand in den späten Siebzigern die Serie über den New Yorker Detektiv Roy Finer, dessen Leben oft mit einer Schusswunde begann – um den Titel eines der ersten Wondratschek-Bücher in Erinnerung zu rufen. Hecke, das sieht man gleich, war mit dem großen, bärigen, nett aussehenden Detektiv gut bekannt, vielleicht befreundet. Sie begleitete ihn auf seinen Gängen durch die South-Bronx, durch den eisenharten Alltag, der stets an der Bar, mit einem Drink in der Hand und versonnenem Blick ins Nichts endete.

Im Allerlei der Fototriennale sind es gerade kleine Ausstellungen wie diese, die in Erinnerung bleiben werden. „Roy Finer (secret views)“ in der aplanat Galerie für Fotografie zeigt den Alltag des Polizisten der Mordkommission – Momentaufnahmen, in kinematographisch anmutende Farbfotografie gegossen. Was macht diese jetzt wiederentdeckten Bilder – Finer mit einem Kollegen im Auto, der Detektiv auf den Straßen des Elendsviertels, mit Kollegen im Polizeibüro – zu etwas Besonderem? Vielleicht, dass sie über die aktuell so angesagte fotografische Strategie des nüchternen Dokumentarismus weit hinausgehen. Sie zeigen, was ist. Sie zeigen aber auch, was sein könnte.

Dass Hecke eine begnadete Stilistin ist, die sich hervorragend auf Bildkompositionen versteht, macht die Ausstellung nachdrücklich deutlich. Die Fotografin folgt in ihrem Werk vor allem den Spuren der erzählerischen amerikanischen Farbfotografie der sechziger und siebziger Jahre, natürlich auch des Films, der Schwester des fotografischen Mediums. Der Film läuft bei dieser Fotoausstellung vor allem im Kopf, denken wir uns, während im Hintergrund ein Lieblingslied von Hecke und Wondratschek aus dem Lautsprecher schallt. Ein Lied aus einer Zeit, als die beiden ein Paar waren und Detective Roy Finer, der große, dicke, traurige Polizeibär, noch am Leben war.

Marek Storch

Di–Fr 16–19.30, Sa 13-17 Uhr; bis 18.6., aplanat Galerie für Fotografie, Lippmannstr. 69-71

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen