Der taz FUTURZWEI-Fragebogen : Was hat Ihr Denken beeinflusst, Marlene Engelhorn?
Marlene Engelhorn ist Aktivistin und Mitgründerin von taxmenow. Im Fragebogen geht sie auf Liebesbeziehungen, Denkerinnen, den Humor der Linken und die Rettung der Demokratie ein.

taz FUTURZWEI | Was hat Ihr Denken beeinflusst?
Die Einsicht, dass Intelligenz ohne Mitgefühl bestenfalls arrogant ist, aber niemals echtes Denken.
Wer hat Ihr Denken beeinflusst?
Menschen, die ebenso geduldig wie einfühlsam zuhören und sprechen können.
Ihre Lieblingsdenkerin, die sonst niemand kennt?
Hm ... ehrlich: Anne-Sophie Born; sonst: Iva Čuki.
taz FUTURZWEI, das Magazin für Zukunft – Ausgabe N°32: Wozu Kinder?
Kinder und Jugendliche sind die politisch ignorierteste Randgruppe der Gesellschaft. Dabei muss diese Minigruppe demnächst die vielen Renten bezahlen und den ganzen Laden am Laufen halten. Was muss sich ändern?
Mit Aladin El-Mafaalani, Marlene Engelhorn, Arno Frank, Ruth Fuentes, Maja Göpel, Robert Habeck, Celine Keller, Wolf Lotter, Lily Mauch, Luisa Neubauer, Henrike von Scheliha, Stephan Wackwitz und Harald Welzer.
An welchem gefährlichen Gedanken denken Sie rum?
Wie lassen sich überreiche Menschen organisieren, ohne den daraus resultierenden Einfluss selbst wieder nur auszunutzen? Anders gesagt: Wie kann die Macht, die nun mal bei Vermögenden liegt, den sozialen Bewegungen und der Demokratie zurückgegeben werden?
Welche Diskussion ist komplett festgefahren?
Keine. Es sind die Diskutierenden, die sich regelmäßig festsetzen. Wobei, vermutlich diese: Die Ansicht, man könne rechtsextremen Parteien mit rechtsextremen Inhalten das Wasser abgraben.
Welche Position langweilt sie?
Dass man privilegierten Menschen bloß nicht auf die Füße treten darf, sondern immer ganz furchtbar lieb zu ihnen sein muss. Wer Macht hat, hat Kritik auszuhalten oder seine Macht abzugeben. Privilegien sind immer Unrecht, es gibt sie nur auf Kosten der Rechtsgleichheit.
Den taz FUTURZWEI-Fragebogen (with a little help from Max Frisch, Fischli/Weiss und NYT Book Review) gibt es neu in jedem Heft. Entdecken Sie taz FUTURZWEI im Abo.
Welche drei Menschen der Zeitgeschichte würden Sie zu einem Abendessen einladen wollen?
Ich würde drauf pfeifen: Mit dem Zauberspruch mach ich lieber eine Riesensause für Freund:innen und Familie – die leben jetzt, das zählt.
Wen finden Sie gut, obwohl Ihre Peergroup ihn oder sie blöd findet?
Thomas Bernhard, ich brauche einen soliden Grantscherben im Leben, dem ich selbst aber nie begegnen muss.
Welche drei Bücher würden Sie als Deutschlehrerin lesen lassen?
Ich würde mal fragen, was die Schüler:innen lesen und sie drei Bücher aussuchen lassen. Sich mit einem Text befassen zu lernen, lässt sich auch an Büchern üben, die vielleicht nie im Feuilleton landen. Prätentiös werden lässt sich später an der Uni immer noch.
Welche Künstler:innen sind auf der Höhe der entscheidenden Fragen?
Fuck art. Ich spreche lieber mit den unterschiedlichsten Menschen offen über Geld – versuchen Sie das mal.
Die überschätzteste Figur der Gegenwart überhaupt.
Weiße reiche Cis-hetero-Männer ohne Behinderung – Ausnahmen bestätigen die Regel.
Marlene Engelhorn ist Aktivistin und Mitgründerin von taxmenow – eine Initiative für die Besteuerung von Vermögen und Erbschaften. Engelhorn hat infolge des milliardenschweren Verkaufs von Boehringer Mannheim durch ihre Familie selbst ein Millionenvermögen geerbt, von dem sie 25 Millionen Euro der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt hat. Über die Verwendung hat eine zufällige Auswahl in einem repräsentativ zusammengesetzten Bürgerrat entschieden. Engelhorn lebt in Wien.
Warum scheuen Linke den Humor?
Ich halte alle politischen Lager für gleichermaßen humorlos.
Wissen Sie, was Sie hoffen?
Diese Frage ist übertrieben umständlich gestellt. Ich hoffe, das ist anstrengend genug.
Findet Sie das Glück?
Ich bin überreich geboren, das „Glück“ rennt mir die Tür ein. Es soll sich gefälligst um Menschen kümmern, die es wirklich brauchen! Und die Politik könnte dabei helfen, indem sie es endlich besser verteilt als durch diese dumme Geburtenlotterie.
Wem wären Sie lieber nie begegnet?
Mir fällt schon wer ein, aber ich will der Person das lieber ins Gesicht sagen, wenn sich das Unglück wiederholt.
Wann haben Sie aufgehört zu glauben, dass Sie klüger werden (oder glauben Sie es noch)?
Mitte/Ende zwanzig. Ich bin viel zu lang viel zu arrogant gewesen. Manchmal erwisch ich mich beim inneren Augenrollen, siehe überschätzte Figuren der Gegenwart. Viel wichtiger ist doch daran zu glauben, dass die eigentliche Kunst nicht im Übertrumpfen liegt, sondern im Respekt aus Prinzip.
Wenn Sie Macht hätten zu befehlen, was Ihnen heute richtig scheint, würden Sie es befehlen gegen den Widerspruch der Mehrheit? Ja oder nein?
Nein, diese Art der Macht nennt man Diktat. Ich halte es für die wichtigste Aufgabe des 21. Jahrhunderts, dass wir die Demokratie retten – sie ist die verdammte Mühe wert.
Wenn Sie und alle, die Sie kennen, tot sind – interessiert Sie dann die Weiterexistenz der Menschheit noch?
Das geht ja gar nicht, ich bin dann Staub. Mich interessiert, jetzt so viel wie möglich dafür zu tun, dass es allen gut gehen kann, die am Leben sind, egal wann.
Lernen Sie von einer Liebesbeziehung für die nächste?
Ich lerne über mich, und mich nehme ich in jede Beziehung mit. Aber ich denke, man sollte nie den Fehler machen, Erfahrungen mit einer Partner:in einfach auf eine:n andere:n zu übertragen.
Worum geht es im Leben eigentlich?
Puh. Allgemein? Will ich nicht sagen. Mir: Beziehungen zu Menschen, in denen alle gleichberechtigt sind, teilen und sich umeinander kümmern. Es freut sich so schlecht allein.
Gibt es zu viel des Guten?
Nur sprichwörtlich.
Es gibt nur Gangster oder Trottel. Was sind Sie dann?
Beides vermutlich: Strukturell ein Gangster und im Herzen ein naiver Trottel, der mit etwas Glück zu viel des Guten auf den Kopf stellt, und dann rennt uns allen das Glück die Tür ein.
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