Der stressigste Nebenjob der Welt: Eltern zunehmend unter Druck
Jeder dritte Erziehungsberechtigte fühlt sich oft überfordert - in Beruf und Familie. Es gelassen angehen war anscheinend gestern, zumindest bei den Besserverdienenden.
Sebastian Engel ist ein glücklicher Vater. Gerne geht der 27-jährige Berliner mit Sohn Anton und Tochter Luisa spazieren, ins Kinder-Café oder gemeinsam mit seiner Partnerin zu Eltern-Kind-Kursen. Für den jungen Vater ist es selbstverständlich, möglichst viel Zeit mit seinen Kindern verbringen zu wollen. Gleichzeitig jedoch bedeutet das Vatersein für ihn einen enormen Druck.
Um Geld zu verdienen, arbeitet er weiter in der Schmuckfirma, die er seit dem Abitur gemeinsam mit seinem Vater und seiner Schwester führt. Gleichzeitig geht er 16 Stunden die Woche zur Abendschule, um einen Abschluss in Betriebswirtschaft nachzuholen. "Man muss erfolgreich im Beruf sein, um die Kinder zu ernähren", sagt Engel. "Gleichzeitig ist der Anspruch riesig, wirklich gute, perfekte Eltern zu sein." Dieses Spannungsfeld setzt Sebastian Engel mitunter stark unter Stress. "Man hat das Gefühl, es nie ganz richtig machen zu können", sagt der junge Vater.
So geht es einer zunehmenden Zahl von Eltern, und zwar milieuübergreifend. Das belegt eine neue Studie der unionsnahen Konrad-Adenauer-Stiftung, die am Mittwoch in Anwesenheit von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgestellt wurde.
Für die Untersuchung mit dem Titel "Eltern unter Druck" hat ein Forschungsinstitut 50 Mütter und 50 Väter ausführlich interviewt und weitere 500 Eltern von Kindern zwischen null und siebzehn Jahren nach Zahlen und Fakten befragt. "Wie geht es Eltern?", war die schlichte Grundfrage, die sich die Forscher stellten. Sie stehen "unter vielfältigem Druck", ist eine Antwort der Forscher.
Zeit- und Organisationsdruck, die eigene Leistung im Beruf, der Erfolg der Kinder in der Schule, und letztlich Erziehungs- und Partnerschaftsdruck führe zu einer Verunsicherung der Eltern. "Ein Drittel fühlt sich im Erziehungsalltag oft bis fast täglich gestresst, die Hälfte immerhin gelegentlich", heißt es in der Studie.
Die wachsende Flut an Erziehungsratgebern und die zunehmende Suche der Eltern nach praktischen und kurzfristig wirksamen Rezepten seien Ausdruck wachsender Hilflosigkeit. Der Erziehungsalltag sei aus der subjektiven Perspektive der Eltern so komplex, "dass sich das Gefühl kaum einstellt, eine gute Mutter oder ein guter Vater zu sein".
Dieser Erziehungsdruck sei nicht nur subjektive Empfindung, sondern objektive Tatsache. Dies zeige sich exemplarisch in der Erwerbstätigkeit: Eltern stünden wie alle anderen Arbeitnehmer unter massivem Druck zu mehr Flexibilität und Mobilität. Anrufe aus Kita oder Schule, weil es dem Kind nicht gut geht und es abgeholt werden muss, brächten Eltern am Arbeitsplatz "unter moralischen und ökonomischen Druck" und schwächten ihre Chancen im Unternehmen, schreiben die Forscher.
Eltern fühlten sich zunehmend unter dem Druck, dass sie Chancen für die Kinder unbedingt nutzen müssten. Insbesondere Eltern aus den Milieus der Etablierten und der bürgerlichen Mitte investierten daher massiv in die Bildung ihrer Kinder. Sie zahlen bereits im Grundschulalter private Nachhilfe oder stecken ihre Kinder zunehmend in private und konfessionelle Schulen. "Doch auch Bewegung, Ernährung, Werte und Ästhetik spielten für diese Milieus eine große Rolle bei der Kindererziehung", erklärte der Soziologe Carsten Wippermann vom Institut Sociovision, das die Studie im Auftrag der Adenauer-Stiftung durchgeführt hat.
Demgegenüber lasse ein Fünftel aller Eltern die Entwicklung eher laufen, insbesondere am unteren Rand der Gesellschaft. Für die Forscher ist das ein alarmierendes Ergebnis. Es zeige sich darin ein "deutliches Auseinanderdriften der Milieus", schreiben sie. "Deutschland scheint auf dem Weg in eine neue Art der Klassengesellschaft zu sein."
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