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Der sonntaz-StreitWerden Kinder zu Materialisten?

Noch nie zuvor haben Kinder in Deutschland so viel Taschengeld bekommen. Lernen sie dadurch zu sparen? Oder zu shoppen?

Regiert Geld auch die Kinderwelt? Bild: dpa

In vielen Ländern kennt man Taschengeld nicht. In der Türkei, in Kroatien oder Serbien bekommen Kinder Geld, wenn sie lange genug darum betteln, zu Feiertagen oder einfach so. Eine bestimmte Summe mit der Kinder zu einem festen Zeitpunkt rechnen können, das gibt es dort nicht.

Aus der aktuellen Studie der KidsVerbraucherAnalyse (KidsVA) geht hervor, dass Kinder in Deutschland so viel Taschengeld wie nie zuvor bekommen. Den Sechs- bis 13-Jährigen stehen im Monat durchschnittlich 27,56 Euro zur Verfügung. Rechnet man Taschengeld, Geldgeschenke und Sparkonten zusammen, können die Kinder in Deutschland fast fünf Milliarden Euro ausgeben. Die Summe steigt regelmäßig. Das Alter, ab dem Kinder Taschengeld erhalten, sinkt.

Verunsicherte Eltern informieren sich im Internet, ob sie ihren Dreijährigen Geld geben sollen. Aber hinter den vielen Taschengeldratgebern stehen oft Finanzdienstleister und Banken. Seit den 1960er Jahren haben sie und die Werbeindustrie das Kind als Kunden entdeckt.

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Kinder lernen durch Taschengeld, mit Geld umzugehen, sagen Erziehungsberater. Sie empfehlen Eltern, ihren Kindern dem Alter entsprechend Taschengeld zu zahlen. Mit Hilfe dessen würden sie sich daran gewöhnen, sich einzuschränken und ihr Geld einzuteilen. Sie lernen, was teuer und billig ist und müssen Entscheidungen treffen: Ist eine Anschaffung sinnvoll und nötig oder nicht?

Stimmt das? Oder bekommen Kinder zu früh zu viel Geld? Zehn Prozent aller 20- bis 24-Jährigen in Deutschland sind verschuldet. Das Projekt „Schulschwein“ setzt schon bei Grundschulen an und versucht, den Kindern den richtigen Umgang mit Geld beizubringen. Paten des Projektes sind allerdings Inkassounternehmen und Banken.

Macht Taschengeld Kinder zu Konsumenten? Lernen sie dadurch weniger, Geld zu sparen als es auszugeben? Macht Taschengeld Kinder zu Materialisten?

Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom 17./18. August. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 14. August, eine Mail mit Name, Foto und Alter an: streit@taz.de.

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9 Kommentare

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  • A
    Anika1686

    Ich denke, nicht das Taschengeld an sich ist das, was die Kinder zu Materialisten macht. Es ist vielmehr das, was in der explizit für Kinder zugeschnittenen Werbung geschieht und, wie diese schon die kleinsten unserer Gesellschaft manipuliet. Nicht das erste frei verfügbare Geld sollte kritisch diskutiert werden, sondern der freie Zugang zur Werbemaschinerie. Wie sollen Kinder durch Taschengeld lernen, selbstständig entscheiden zu können, wenn ihnen die Entscheidung durch bunte Werbefilmchen und -bilder vorweg genommen wird? Und wie hoch mag der Entscheidungsdruck sein, wenn schon im Kindergarten das Wort "haben" eine so große Rolle spielt, dass Kinder die "nicht haben" dafür ausgelacht werden?

  • Eltern wird die Kontrolle über den materilalistischen Teil der Erziehung zum großen Teil entzogen. Der wurde schon immer stark vom kindlichen Umfeld geprägt. Die Umwelt macht die Vorgaben, die Eltern sind lediglich Erbringer. Soll heißen, dass der puritanischer Lebensstil einer Familie in einer allzu materialistische Umwelt mehr oder weniger zu Anpassungsproblemen des Kindes führen wird.

     

    Anderseits verbirgt sich hinter zu üppiger Ausstattung des Kindes mit allem Schnickschnack eine Ersatzhandlung für Liebe und mentaler Zuwendung durch die Eltern, nehmen doch diese sich heute mehr Zeit fürs Geldverdienen, um Kinder großzügig für die "vertane Zeit" zu entschädigen.

     

     

     

    Es ist ein enger Gestaltungsspielraum, den die Eltern im kindlichen Umgang mit materiellen Gütern haben, doch wird er später entscheidend sein, weil Selbstbewußtsein auf der Liebe zum Kind und seiner Anerkennung fußt. Selbstbewußte Menschen haben viel weniger das Bedürfnis, seelische Schieflagen mit Konsum aufzurichten und sind auch nicht so anfällig auf diese.

     

     

     

    Doch grundsätzlich lässt sich sagen: "Das ganze Dorf erzieht das Kind mit", und in der Sache in ganz besonderem Maß, da das heutige Kind in einem "Dorf" des heißen Konsumrauschs aufwächst.

  • S
    Susanna

    Meine Tochter ist fünf und bekommt kein Taschenged. Die meisten ihrer Freunde aber schon und das seit mehreren Jahren.

     

    Ich finde es komisch, wenn so kleine Kinder den Umgang mit Geld lernen sollen In meiner Erfahrung führt das genau dazu, dass sie zu früh an Stellen Einfluss erhalten, wo sie eigentlich keinen haben sollten, sondern erstmal beobachten und vertrauen.

     

    Beispiel: Die Taschengeldkinder laufen auf den Kinderflohmärkten rum und kaufen sich jede Menge Ramsch, der nur ein paar Cents kostet. Meine Tochter schaut sich die Sachen an, spielt kurz damit und läuft dann mit mir weiter, weil sie weiß, wir haben schon so viel und es wird nichts gekauft.

     

    Jetzt ist meine Tochter kein besonders ausgeglichenes Kind, sie hat sich nur einfach daran gewöhnt, dass diese Entscheidung nicht von ihr getroffen wird. Ich glaube, dass macht es Kindern leichter.

     

    Eine andere Freundin von ihr hat immer einer paar 10cent-Stücke einstecken und quengelt an jedem Kiosk, dass sie sich Gummitiere kaufen will.

     

    Ich verstehe nicht, was daran gut sein soll.

  • CJ
    Cpt. Janeway

    Ja klar werden sie zu Materialisten erzogen. Die Eltern kriegen ja mit, wie einem vermittelt wird, daß Geld das allerallerwichtigste ist und klar wollen sie ihre Kinder auf diesen Zirkus gut vorbereiten (auch wenn's in die Hose geht...).

     

    Nur schade, daß dann so erzogene Kinder später die Welt gestalten. Und wenn Materialisten die Gesellschaft bilden, dann krieg ich Angst.

  • E
    Elli

    Sofern die Eltern gleichzeitig eine angemessene Konsumerziehung pflegen und nicht jedem Betteln um dieses oder jenes Kleingeschenk nachgeben, sehe ich durchaus positive Effekte am eigenen Taschengeld. Die Beträge sollten aber nicht allzu hoch ausfallen und vor dem Grundschulalter macht die Sache meines Erachtens auch keinen Sinn, da Geld für kleine Kinder doch eine sehr abstrakte Angelegenheit ist. Von meinen fünf Mark / Woche Taschengeld habe ich mir mit etwas "Coaching" meiner Eltern ("Wolltest du nicht sparen?") damals mein erstes Radio zu 90 Mark zusammen gespart, was für mich ein großes Erfolgserlebnis war.

     

     

     

    Auf der anderen Seite habe ich eine Schulfreundin erlebt, deren Taschengeld zwar ähnlich hoch ausfiel, die aber regelmäßig "Kredit" bei ihren Eltern bekommen hat. Auch später hat sie regelmäßig unnötige Luxusgüter auf Pump gekauft und hielt das für vollkommen normal.

     

     

     

    Es reicht also meines Erachtens nicht, Kindern einfach nur Geld in die Hand zu drücken. Gleichzeitig muss man auch den entsprechenden Aufwand betreiben, ihnen den korrekten Umgang damit bei zu bringen.

  • P
    Paulityp

    Mein eigenes Taschengeld damals war knapp bemessen. Damit auf die Erfüllung eines großen Traumes zu sparen, war für einen mit normaler kindlicher Ungeduld ausgestatteten Halbwüchsigen unmöglich. Entsprechend war auch die Einstellung zu dem Geld: kaum war es da, war es auch für total unnötige Verlustierungen wieder der Wirtschaft zugeführt.

     

    Andere bekamen Unmengen an Taschengeld ohne Vorgaben, was in einigen Fällen zu einem Anspruchsdenken geführt hat, dass dann später mit dem ersten Gehalt und ohne die elterliche Wohnstatt nicht mehr zu bedienen war.

     

    Es gibt natürlich kein generell gültiges Regelwerk, wie und in welcher Höhe Taschengeld gegeben werden sollte und der Einfluß auf ein späteres Konsum- und Finanzverhalten sollte wohl auch nicht überbewertet werden.

     

    Doch ein Modell, in dem man seinem Nachwuchs gewisse Regeln für den Gebrauch des Geldes mitgibt (wir haben dein Taschengeld erhöht, aber ab sofort bist du für den Kauf deiner Kleidung/deine Handyrechnung/etc verantwortlich)klingt für mich pädagogisch betrachtet am ehesten sinnvoll.

     

    Mal sehen, wie meine Kinder das eines Tages bewerten werden. Wenn für sie der Sonntag zum Zahltag wird.

  • P
    P

    Sobald ein Mensch (in diesem Fall ein junger Mensch) den Zugang zu einem Geldpool einer bestimmten größe hat, hat er auch die Verantwortung mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld zu wirtschaften. Schafft er dies nicht, weil er über seinen Verhältnissen lebt muss er a) sich ändern oder b) Schulden machen. Da Kinder nur sehr schwer die Möglichkeit dazu haben Schulden zu machen, müssen sie ihr Konsumverhalten dahingehend anpassen, dass sie mit dem ihnen zur Verfügung gestellten Kapital "auskommen". Das würde dafür sprechen dass Kindern durch ein Taschengeld ein gesunder Umgang mit Geld beigebracht wird. Auf der Anderen Seite ist es ein Paradigmenwechsel: Waren früher die Eltern dafür verantwortlich mit welchen Spielsachen die Kinder spielten (also ob Holzspielzeug, Lego, Chemiebaukästen oder blinkende schrille weichmacherhaltige Plastikspielzeuge), so haben heute die Kinder die Freiheit selbst mit "ihrem" Geld zu kaufen "was sie wollen". Hier liegt meiner Meinung nach eine große Gefahr, denn Kinder springen nicht selten auf die Reize von "ungesundem" Spielzeug an- und nicht auf Bausparverträge.

     

    Ob Taschengeld oder nicht- viele Kinder in unserer Gesellschaft sind sehr fixiert auf materiellen Besitz- weil sie es von den Eltern nicht anders kennen. Schränkt man Sie finanziell zu sehr ein, so lernen Sie keinen sachgerechten Umgang mit dem Geld, lässt man ihnen jedoch zu viel Spielraum so überfordert man sie zu beginn sicher. Die im Artikel beschriebenen knapp 30€ pro Monat für die 6-13-jährigen halte ich allerdings für übertrieben- es sei denn man kontrolliert den Konsum und sucht den Dialog über das Kaufverhalten.

    • U
      unbenannt
      @P:

      Kinder sind zu Materialisten erzogen, es wird immer schlimmer.

       

       

       

      neueste Handys, Markenkleidung, Makenschuhe, Markentäschchen, Markensonnenbrillen, teuere Kosmetikerin, hohes Taschengeld, angesagteste Diskos usw.

       

       

       

      Wer da nicht mithalten kann wird gemobbt und das heftigst.

      • P
        P
        @unbenannt:

        Wer da nicht mithalten kann hat meiner Meinung nach die falschen Freunde. Es ist traurig bei den meisten Kindern und Jugendlichen ein bereits ausgeprägtes Konkurrenzdenken zu erkennen anstelle eines "Miteinanders". Es ist nicht so dass jeder als Individuum gesehen werden will sondern als Teilmenge, besser noch als Abbild seines Umfeldes (sei es seine peer-group oder was auch immer-ich vermute dieses Wort ist schonwieder "out of date").

         

        Woran das liegt kann ich nicht genau sagen, aber ich denke es hat durchaus mit der allgegenwärtigen Medienpräsenz und dem "immer online sein" zu tun.

         

        Dieser Materialismus würde sich durch einen vernünftigen Dialog zwischen Eltern und Kind über den Konsum sicher abschwächen, vorausgesetzt die Eltern leben nachhaltiges und reflektiertes Kaufverhalten vor- was selten ist.