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Der schreibende HausmanmVerloren in der Vorstadt

Alexander Posch hat sich in Hamburg einen Namen mit ungewöhnlichen Leseformaten gemacht und jetzt den Roman „Sie nennen es Nichtstun“ veröffentlicht.

Sammelt die Splitter der Welt: Der Schriftsteller Alexander Posch. Bild: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Ein Mann streift durch Hamburg-Rahlstedt. Er schaut über Hecken in Einfamilienhausgärten, er überlegt, was er noch einkaufen muss und was zu Hause an Arbeit auf ihn wartet, während er doch in Ruhe weiter an seinen Texten schreiben will, was nichts werden wird, denn der Mann hat drei Kinder, die ihn nicht nur zeitlich umfänglich beanspruchen, und der Mann hat eine Frau, die arbeitet und so das Geld verdient, während er darum ringt, ein Schriftsteller zu sein.

„Sie nennen es Nichtstun“, heißt der Roman, verfasst von Alexander Posch, der wie der Mann in seinem Roman mit Frau und drei Kindern in Hamburg-Rahlstedt lebt.

Nicht der Roman, aber Poschs Arbeit als Schriftsteller beginnt Anfang der 90er, da studiert er noch und findet zu einer literarischen Schreibgruppe an der Hamburger Universität. Geleitet wird diese von der Lyrikerin Frederike Frei, die damals mit ihren Gedichten, die sie in einem Bauchladen vor sich trägt und einzeln für eine D-Mark das Stück verkauft, die oft noch gewerkschaftlich orientierten alten Schriftsteller verstört – und dadurch für aufstrebende Talente höchst belebend wirkt.

Freis Konzept: Literarisches nicht hinter einem Tisch und einem Wasserglas hockend abzulesen, sondern es grell und fröhlich hinauszuposaunen, garniert mit allen Albernheiten und nachträglichen Peinlichkeiten, die eben im Anfang liegen.

Posch bleibt bei der Literatur, er schaut nach links und rechts, statt sich in einer Schreibstube zu vergraben und ist folglich mit dabei, als der damalige Lektor des noch eigenständigen Luchterhand-Verlages Martin Hielscher mit seinem Sammelband „Ponal“ einer nachwachsenden Generation junger Dichter ein erstes, verbindendes Forum bietet.

Posch gründet zusammen mit Michael Weins („Goldene Reiter“) 1997 den „Laola-Club“, der versucht, die klassische Wasserglas-Lesung in ein belebendes Club-Format zu übertragen. Entsprechend ist Posch wie auch Weins vorne an, als sich drei Jahre später der „Macht Club e. V.“ gründet und schnell etabliert:

Nach dem Huckepack-Prinzip sorgen illustre Namen literarischer Größen wie Birgit Vanderbeke, Georg Klein oder Karen Duve für reges Publikumsinteresse, das sich bald auf die Macht-Autoren wie Tina Übel und Benjamin Maack bis zu Michael Weins, Sven Amtsberg und eben Alexander Posch überträgt, deren Texte einen Vergleich mit den etablierten Gästen keinesfalls zu scheuen brauchen.

Parallel startet Posch zusammen mit Michael Weins und Sven Amtsberg die „Schischischo“: Die wird mal auf einer Barkasse ausgetragen, dann wieder touren die drei durch die literarischen Spielstätten wie die Clubs der Stadt und bezirzen mit ihrem Mix aus eigenen Texten, Beiträgen von Gästen und Musik das Publikum. Posch tritt dabei meist in einem hasenartigen Kostüm auf, aus dem er sich zum Schluss oft schwitzend befreit – wie überhaupt Tiere in seinen Texten keine geringe Rolle spielen.

Dass es nun nach so vielen Abenteuern und schrägen Formaten zu einem vordergründig geradezu traditionellen Buch gekommen ist, ist einem etablierten Sujet zu verdanken: einem Stipendium. Denn Posch erhält im Frühjahr 2011 ein Kurzstipendium der Hamburger Kulturbehörde, das ihn auf die Insel Mallorca bringt.

Die Idee: dort unter der spanischen Sonne sitzend mal in Ruhe und unabgelenkt etwas zu Ende schreiben zu können – oder einen neuen Stoff zu beginnen. Posch aber hat in den letzten Jahren so viel geschrieben, das bis auf einige Ausnahmen nie gedruckt wurde.

Zum Glück steht ihm ein Freund und Kollege zur Seite: der Bremer Schriftsteller Martin Brinkmann, dem Posch sein Material via E-Mail schickt, also das, was er in den letzten zehn Jahren verfasst hat. Nun ist Kollege Brinkmann nicht nur selbst Schreiber und Herausgeber des in Bremen ansässigen Literaturmagazins Krachkultur, er ist auch noch Literaturagent.

Durch die Agentenbrille schaut er sich Poschs loses Geschichtensammelsurium an, prüft jeden einzelnen Text, wählt aus, legt auch Texte zur Seite, entdeckt aber aber vor allem einen verbindenden Erzählton und bringt das Auserwählte in eine dramaturgisch sinnvolle Abfolge. Posch bleibt auf Mallorca die nicht eben leichte, aber zu bewältigende Aufgabe, Übergänge zu schreiben, auftretende Personen auszubauen und Motive zu verstärken.

Nun also liegt das Ergebnis vor: ein Episodenroman aus der Welt eines Familienmannes, der um Orientierung ringt, der jeden Tag aufs Neue unterwegs ist, um die Splitter, in die die Welt nun mal zerfällt, aufzusammeln und neu zusammenzufügen. Von alten Freunden, die über die Zeit keine Freunde mehr sind, sondern nur noch Erinnerungen, wird erzählt; von den Nachbarn wird berichtet, die jeden Schritt des Helden beobachten, wo sie doch sonst nichts zu tun haben.

Drei Kinder wuseln durch die Texte, eigensinnig, anarchisch. Die Tage verrinnen, man weiß nicht wie und noch weniger warum, und die einzelnen Kapitel tragen Namen wie „Das richtige Leben“, „Das Kamel aufrichten“, „Meine Geliebte hat mich verlassen“.

Wunderbar ist es, dass Posch dem schreibenden Hausmann so ein literarisches Denkmal setzt, frei von allem zeitgeistigen Geplänkel, frei von jeglichem Bedeutungsgetöse, das viele Männer überfällt, wenn sie mal daheim für die Kinder zuständig sind. „Sie nennen es Nichtstun“ ist vielmehr eine überaus lohnende, weil lesenswerte Ausbeute – die Jahre, die vergangenen, all die Lesungen und Auftritte vor mal großem, mal kleinem, mal recht kleinem Publikum, sie haben sich gelohnt. Für den Dichter – und auch für uns.

Alexander Posch: Sie nennen es Nichtstun, Langenmüller 2014, 186 S., 17,99 Euro Lesung: 18. März, 19.30 Uhr, Nochtspeicher, Hamburg

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