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Der "rote Elvis"Mit im Boot

Kommentar von Jan Kedves

Rockstar, Cowboy, Sozialist: Regisseur Leopold Grün hat Dan Reed nun einen klugen Film gewidmet.

Stets lächelte Dan Reed sein "Gleich wird alles gut"-Lächeln Bild: dpa

A m Ende fühlte sich Dean Reed nur noch auf seinem kleinen weißen Sportboot wohl. Hier draußen, auf dem Zeuthener See bei Berlin, interessierte sich niemand für sein Heldenimage - "Rockstar, Cowboy, Sozialist". Rockstar wollte er nicht mehr sein, vom Sozialismus war er desillusioniert, und Cowboy - nun ja, er fuhr jetzt eben lieber Boot. Der See war für den amerikanischen Sänger und Schauspieler, den "Elvis des Ostens", der 1972 in die DDR gezogen war, der einzige Ort, der sich irgendwie richtig nach Heimat anfühlte. Die DDR war es nie richtig geworden. Und mit seinem Herkunftsland, den USA, hatte er es sich verzockt.

"Der rote Elvis" ist ein verstörender Film. Nicht nur weil Dean Reed tatsächlich so singt wie Elvis, sondern weil Regisseur Leopold Grün das einzig Richtige tut - sich auf Gegenüberstellung statt auf Wahrheitsfindung zu konzentrieren. Die Widersprüche im Leben des Beaus mit dem ausgedacht klingenden Namen, der in den Sechzigern und Siebzigern für Sozialisten das Ideal des "guten Amerikaners" verkörperte, weil er von Revolution und Verbrüderung sang, und der im Juni 1986 ertrunken im Zeuthener See gefunden wurde, werden hier deutlich herausgearbeitet. Schon in der Bezeichnung "Friedenskämpfer" steckt der erste.

Reeds Exfrau kommt zur Sprache, aber auch Armin Müller-Stahl ("Mit Dean Reed konnte man Staat machen in der DDR") und Egon Krenz, der Reed als Sekretär des Zentralrats der FDJ gerne für Auftritte engagierte. Als "gegenseitiges produktives Verhältnis" beschreibt er die Kooperation mit dem Amerikaner. Dass niemand aus Reeds Verwandtschaft aus Colorado das Wort ergreift, wundert kaum: Ihnen wird der aus der Art geschlagene Bruder oder Cousin heute noch peinlich sein. Immerhin beschimpfte Reed US-Präsidenten öffentlich als "Staatsterroristen" und verbrannte, wo er nur konnte, US-Flaggen.

Dennoch, und das ist das Interessante an "Der rote Elvis", bemüht sich Regisseur Leopold Grün, in Dean Reed einen großen amerikanischen Patrioten zu erkennen - in dem Sinne, dass Reed im Grunde einfach der Tradition der "western frontier" treu blieb, nach der ein echter Amerikaner nur ist, wer stets in Richtung Freiheit strebt. Wer immer weiter in den Sonnenuntergang reitet, muss ja irgendwann im Osten ankommen.

Das Rätsel, wie Reed aber zu einer derartigen Freiheitsikone aufsteigen konnte - als nicht außergewöhnlich guter Sänger, als mittelmäßiger Schauspieler -, beantwortet "Der rote Elvis" nicht nur mit seiner öffentlich zur Schau gestellten Dissidenz, sondern auch mit seiner Fotogenität. Ob beim Tête-à-Tête mit Salvador Allende, bei der Autogrammstunde auf dem Roten Platz oder auch in einer amerikanischen Talkshow: Stets lächelt Reed sein "Gleich wird alles gut"-Lächeln. Es war sein Freifahrtsschein zwischen den Systemen und Welten.

Natürlich sind es Bilder wie diese, die auch an die Bono Vox und Angelina Jolies von heute erinnern, an all die Popstars, die hinter ihren Wrap-around-Sonnenbrillen auf der Suche nach einer gerechteren Welt sind - und einem guten Image. Gleichzeitig führt der Film aber vor, wie schal Protest im Pop heute geworden ist: Reed mochte schon zu Lebzeiten etwas verwirrt wirken, doch wenn heute die Frontmänner amerikanischer Indierock-Bands bei Auftritten in Europa ihren Präsidenten als "Arschloch" bezeichnen, weil das den meisten Applaus bringt, schüttelt man noch mehr den Kopf. Danach fliegen sie ja doch wieder nach Hause und zahlen Steuern. In der Logik von "Der rote Elvis" führt an Reeds Suizid irgendwann kein Weg vorbei: Sein letzter Besuch in den USA 1986, bei dem er sich ganz Star-like mit einer Limousine chauffieren lässt, bringt ihm Morddrohungen, in der DDR bleibt sein geliebtes Motorboot ein Symbol seiner Privilegierung - eine ständige Erinnerung daran, dass er hier auf seine Freiheitskämpfer- und Vorreiterrolle abonniert ist und nie "einer unter vielen" werden kann.

Die Ironie an "Der rote Elvis" ist, dass Dean Reed nun schon wieder als Presley-Variation lanciert wird. Die Produzenten des Films gingen vermutlich richtig davon aus, dass ihr Held dem größeren Teil des mittlerweile vereinten deutschen Kinopublikums völlig unbekannt ist. Es ist wohl kein Zufall, dass der Film nicht schon letztes Jahr, zum 20. Todestag von Reed, in die Kinos kam, sondern erst jetzt - fast auf den Tag genau zum 30. von Presley. Aus diesem Windschatten scheint Reed nie herauszukommen.

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