: Der mit dem Investor tanzt
■ Gesichter der Großstadt: Rainer Blankenburg war einst Betroffenenvertreter und arbeitet heute als Projektbetreuer mit Investoren zusammen. Für ihn ist das eine neue Form der Kommunalpolitik
„Mache nie 'nen kleinen Kompromiß“, verpackte Kurt Tucholsky eine seiner Lebensmaximen in ein Liedchen. Auch heute noch haftet jedem, der sich nicht kompromißlos der einen oder anderen Seite der Barrikade verschreibt, der Ruch des Kompromißlers an. Was den einen freilich die Etikettierung ansonsten allzu unübersichtlicher Realitäten erleichtert, ist für Rainer Blankenburg die hohe Kunst des Interessenausgleichs. Gerne betrachtet sich der 37jährige Projektbetreuer und Standortvermarkter deshalb als jemand, der zwischen allen Stühlen sitzt und als „Übersetzer“ zwischen verschiedenen kommunalpolitischen Interessen vermittelt.
Was Blankenburg selbst als neues Modell der Kooperation vermarktet, sehen andere als Ausverkauf kommunaler Interessen. Auf den ersten Blick hat Rainer Blankenburg tatsächlich die Fronten gewechselt, sich als ehemaliger Betroffenenvertreter in der Spandauer Vorstadt und ehemaliger Leiter des Kulturamts Mitte nunmehr kapitalkräftigen Investoren wie Roland Ernst angedient. Mit seiner Firma NR-Projektbetreuung arbeitete Blankenburg nicht nur für Baulöwen wie Roland Ernst, sondern auch für den Bundesverband Deutscher Banken oder Jungspekulanten wie Daniel Fink, der in der Oranienburger Straße mit seinem „Jewish Trade Center“ jüdische Geschichte in bare Münze umsetzen will.
Hinter einer solchen oberflächlichen Betrachtung verbirgt sich freilich auch ein Dilemma herkömmlicher Kommunalpolitik. „Immer öfter“, sagt Rainer Blankenburg, „reagieren die Behörden nur noch auf die Bauanträge der Investoren, hinter denen sich wiederum illusionäre Vorstellungen verbergen.“ Anstatt Bauherren und kommunale Entscheider aneinander vorbei handeln zu lassen, will der Moderator Blankenburg die Akteure deshalb zusammenbringen. Vorbild ist für ihn die Neugestaltung der Hackeschen Höfe, wo Blankenburg dem späteren Miteigentümer Roland Ernst zwar bei der Klärung offener Vermögensfragen geholfen, ihm aber im Gegenzug die ursprünglichen Pläne für ein Kaufhaus ausgeredet hat. Auch zwischen Eigentümern und Mietern, zwischen Bezirksamt und Denkmalpflege hat Blankenburg vermittelt. „Unsere Philosophie lautet, nichts gegen den anderen durchzusetzen, sondern sich in die Position des anderen hineinzudenken, sie ernst zu nehmen und im Prozeß ein tragfähiges Konzept zu entwickeln.“ Dann, so wehrt sich Blankenburg gegen den Vorwurf des Selbstbetrugs, spiele es am Ende auch keine Rolle, von wem das Geld komme.
Mittlerweile wird die Moderatorenphilosophie Blankenburgs auch außerhalb von Mitte wahrgenommen. In Friedrichshain zum Beispiel hat ihn das Bezirksamt zum Projektbetreuer für den Umbau des ehemaligen Narva-Geländes zur „Oberbaum-City“ ernannt. Projektentwickler ist auch hier der Heidelberger Bauunternehmer Roland Ernst. Wichtiger ist aber laut Brandenburg der Lernprozeß im Rathaus Friedrichshain, Entscheidungsprozesse auch nach außen zu delegieren. In der Oberbaum-City sieht sich Blankenburg deshalb als „Gebietsbürgermeister“, der ein Investorenprojekt „standortgerecht“ gestaltet. „Normalerweise wissen Investoren wenig vom Charakter des Gebiets, in das sie investieren“, sagt Blankenburg. Und wenn ihnen da einer auf die Sprünge hilft, liege das schließlich im Interesse aller.
Blankenburg kennt die Fallen einer Politik der Runden Tische und das Ungleichgewicht im Machtgefüge der „drei B“ – Bauherren, Behörden und Betroffenen. Daß er von Investoren einmal als Türöffner bei der Verwaltung mißbraucht wird, hält er freilich für ausgeschlossen. „Sobald ich nur noch in deren Interesse arbeite, steige ich aus.“
Gleiches gilt für Blankenburg aber auch im Hinblick auf die Interessen seiner ehemaligen Klientel, der Betroffenen. Auch hier müsse genau hingeschaut werden. „Erst hat einer in den Hackeschen Höfen seinen roten Luxus-Daimler präsentiert“, erinnert er sich. „Das war kein Münchner Tourist, sondern ein alteingesessener Gewerbemieter, der mit dem Farbwechsel mehr Aufmerksamkeit auf der Autobahn erzielen wollte.“
Blankenburgs Worte klingen beinahe so, als wäre das Geld des Gewerbemieters als Honorar bei seiner Firma besser aufgehoben. Dann nämlich müßten Blankenburgs Antworten auf die Frage, für wen er arbeite, nicht mehr so lang wie bisher ausfallen. Uwe Rada
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