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Der militante Pedant

Warten auf den neuen Kubrick: Das Metropolis zeigt in diesem Monat drei Klassiker des Regie-Diktators  ■ Von Malte Hagener

Stanley Kubrick macht keine Filme, er macht Kino. Mehr noch als bei anderen Regisseuren gehören seine Werke auf die große Leinwand und nicht auf den kleinen Monitor. Weil Kubrick ein militanter Pedant ist, überläßt er kein Detail in seinen Filmen dem Zufall. Für echte Aficionados bedeutet deshalb eine Fernsehausstrahlung eine Höllenqual und ein Kinobesuch einen Gottesdienst.

Für den Sommer 1999 hat Warner das neue Kubrick-Werk Eyes Wide Shut angekündigt, der mit unzähligen Nachdrehs über zwei Jahre in der Produktion war. Es ist der erste Film des Besessenen, seit er 1987 mit Full Metal Jacket das ultimative Vietnam-Drama vorlegte – Kubrick zahlt mit der immer selteneren Gelegenheit zu drehen für die absolute Kontrolle, die er bei seinen Projekten verlangt. Bekanntlich ist Vorfreude die schönste Freude, doch um die Wartezeit für die Fan-Gemeinde zu verkürzen, zeigt das Metropolis diesen Monat drei ältere Filme des Regisseurs.

Auch wenn Kubrick stets auf literarische Vorlagen zurückgreift, lehnt er die Verfilmung von Meisterwerken ab. Statt dessen wandelt er auf wenig begangenen Pfaden der Populärliteratur oder wendet sich drittklassigen Werken erstklassiger Namen zu: Der Literaturprofessor Anthony Burgess bezeichnete seinen Roman A Clockwork Orange selbst als „didaktische Parabel“. Die katholisch eingefärbte Fabel um das Böse im Menschen wird bei Kubrick ein visuell geschliffener Essay über die Faszination des Kinos, der heute noch durch Gewalt- und Sexdarstellungen provoziert.

Thackerays Sittenstück Barry Lyndon über einen irischen Aufsteiger im England des 18. Jahrhunderts ist selbst eingefleischten Anglisten nur dem Titel nach bekannt. Doch schon die visuelle und akustische Perfektion machen die dreistündige Romanverfilmung, die so viele Lichtjahre von üblichen Historienschinken der Ivory-Schule entfernt ist wie Kubricks 2001 von den Space-Western nach Star-Wars-Machart, zu einer Erfahrung jenseits handelsüblicher Kostüm-Seligkeit. Für die Szenen bei Kerzenschein wurden übrigens spezielle Linsen angefertigt, die es erstmals ermöglichten, ohne künstliches Licht zu drehen.

Auch bei diesem Film erwies sich der 1928 in der Bronx geborene Kubrick, der Ende der 50er Jahre nach England ging und dort bis heute lebt und arbeitet, als leidenschaftlicher Perfektionist. Sogar die Vertreter der Produktionsfirma bekamen so lange keinen Meter Material zu Gesicht, bis der Regisseur zufrieden war. Ein Jahr investierte er in die historischen Recherchen, und vom Beginn der Dreharbeiten im September 1973 vergingen über zwei Jahre, bis das Mammutwerk in die Kinos kam. Vorbereitungszeiten von mehreren Jahren und Dreharbeiten von einem Jahr sind für Kubrick normal.

Stephen Kings Horrorschocker The Shining ist kaum für seine Subtilität bekannt; Kubrick destillierte aus dem Bestseller dennoch eine Kritik an der amerikanischen Erfolgsmentalität und am Pioniergeist. Der von Jack Nicholson verkörperte Schriftsteller zerbricht an seinem eigenen Wahnsinn ebenso sehr wie an dem der Gesellschaft, deren Zwängen er selbst in der Abgeschiedenheit der verschneiten Rocky Mountains nicht entfliehen kann. Die scheinbar körperlos fliegenden Steadycam-Fahrten durch die Hotelflure machten diese damals neue Kameratechnik populär, doch wurde sie filmisch selten wieder so effektiv eingesetzt.

Tom Cruise bedankte sich übrigens bei Kubrick mit Anzeigen im Fachblatt Variety für die Dreharbeiten zu Eyes Wide Shut. Cruise und Nicole Kidman – auch privat ein Paar – verkörpern ein Ehepaar in einer Beziehungskrise. Ausgangsmaterial bot diesmal Arthur Schnitzlers Traumnovelle. Und allen entsetzten Aufschreien „Warum ausgerechnet Cruise?“ sei entgegnet, daß Kubrick schon andere Schauspieler zu Höchstleistungen getrieben hat, und es schließlich diesem Regie-Diktator zu danken ist, daß Cruise sein Schönwettergrinsen im letzten Jahr in keine andere Kamera halten konnte.

Uhrwerk Orange: Do, 1., 21.15 Uhr; Fr, 2., 21.15 Uhr; Sa, 3., 19 Uhr; So, 4. September, 21.15 Uhr. Shining: Di, 6., 21.15 Uhr; Mi, 7., 21.15 Uhr; Fr, 9. September, 21.15 Uhr. Barry Lyndon: Do, 29., 17 Uhr; Fr, 30. September, 19 Uhr

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