: Der letzte Treck nach Ruanda
■ Vorläufiges Ende der Flüchtlingskrise in Zentralafrika: Tansanias Armee löst ruandische Lager auf tansanischem Gebiet auf und drängt eine halbe Million Menschen nach Ruanda zurück. Ruandas Armee sperrt die Grenzregion ab
Berlin (taz) – Zum dritten Mal erlebt Ruanda eine Massenrückkehr von Flüchtlingen, die das Land nach dem Völkermord von 1994 und dem Zusammenbruch des damaligen Hutu-Regimes verlassen hatten. Zu Zehntausenden überqueren seit dem Wochenende ruandische Hutu die Rusumo-Brücke, die Tansania von Ruanda trennt. Es ist keine freiwillige Rückkehr: Tansanias Armee hat ihre Lager übernommen und löst sie jetzt auf. Am Freitag hatten tansanische Soldaten die Bewohner des zweitgrößten Lagers Lumasi, die vor der drohenden Repatriierung in den Busch geflohen waren, aufgespürt und umdirigiert; gestern enterten sie auch das größte Lager Benaco, unter dessen 160.000 Bewohnern sich auch viele frühere Hutu-Milizionäre aus Ruanda befanden, und trieben die Insassen mit Stockschlägen zum Aufbruch. Beladen mit ihrem Hausrat, machten die Flüchtlinge sich daraufhin auf zur 17 Kilometer entfernten Grenze.
Was mit den ehemaligen Hutu-Milizionären unter den Flüchtlingen geschehen ist, ist nicht bekannt. Sie hatten sich zuvor der Aufforderung der tansanischen Regierung, alle Ruander sollten das Land bis Jahresende verlassen, widersetzt. Möglicherweise sind einige von ihnen in den Busch gezogen. Um möglichen Angriffen von Milizionären unter den Rückkehrern auf ruandischem Gebiet zu begegnen, sperrte Ruandas Regierung gestern die gesamte Region um den Grenzübergang ab. Ruandas Präsident Pasteur Bizimungu war am Samstag an die Grenze gereist und hatte verkündet, „Extremisten“ unter den Rückkehrern würden festgenommen und zur Rechenschaft gezogen.
Tansania ist das letzte Nachbarland Ruandas, dessen ruandische Flüchtlinge nun in die Heimat zurückkehren. Im Sommer waren über 80.000 ruandische Hutu aus Burundi nach Ruanda zurückgeführt worden. Im November strömten mehr als eine halbe Million Ruander aus Zaire spontan über die Grenze, nachdem zairische Rebellen ihre Lager angegriffen und die dort herrschenden ruandischen Hutu-Milizen vertrieben hatten. Die Rückkehr aus Tansania, deren Umfang noch nicht abzusehen ist, ist weniger spontan. Aber mit ihr geht eines der brisantesten Flüchtlingsprobleme der Welt zu Ende.
Der im November von der UNO beschlossene internationale Truppeneinsatz, der ursprünglich die ruandischen Flüchtlinge im Bürgerkriegsgebiet von Ostzaire versorgen sollte, ist nun endgültig gegenstandslos geworden. Am Wochenende erhielt der 350 Mann starke kanadische Voraustrupp in Ruanda UN-Angaben zufolge den Rückzugsbefehl. Der Bürgerkrieg in Zaire zwischen der Regierungsarmee und bewaffneten Gegnern des Diktators Mobutu geht derweil weiter und treibt nach Angaben von Hilfsorganisationen Hunderttausende von Zairern innerhalb des Landes in die Flucht. Im Kampfgebiet östlich der zweitgrößten zairischen Stadt Kisangani seien 250.000 Menschen unterwegs, meldete die katholische Hilfsorganisation Caritas.
Das internationale Flüchtlingsdrama in Zentralafrika mag zu Ende gehen – innerhalb der einzelnen betroffenen Länder herrscht damit noch lange kein Frieden. Zaires Regierung lehnte am Wochenende einen von den Rebellen verkündeten Waffenstillstand ab und will morgen im Parlament einen Kriegshaushalt mit Rüstungsausgaben von umgerechnet 333 Millionen Mark verabschieden. D.J.
Reportage Seite 11
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