"Der letzte Bulle" ist zurück: Der Don Johnson von Rüttenscheid
In der zweiten Staffel der Sat.1-Krimiserie kämpft sich "Der letzte Bulle" nach 20 Jahren Koma zurück ins Leben (20.15 Uhr). Er hat keinen seiner 80er-Sprüche vergessen.

"Der letzte Bulle" ist von gestern - aber so richtig. Dafür kann Mick Briskau (großartig verkörpert von Henning Baum) nichts, hat er doch nach einer Schussverletzung satte 20 Jahre Koma hinter sich. Als der Essener Polizist und Vollblutmacho wieder erwacht, ist so ziemlich alles anders, was anders sein kann: Seine Frau ist mittlerweile mit dem Rechtsmediziner der Dienststelle liiert, die Tochter längst erwachsen und - da fällt dem "Don Johnson aus Rüttenscheid" fast alles aus dem Gesicht - Freddie Mercury ist nicht nur tot, sondern war auch noch schwul. Immerhin darf Briskau wieder als Ermittler ran. Allerdings muss er sich nicht nur mit einer attraktiven Polizeipsychologin (Proschat Madani), Internet und Handy arrangieren, sondern auch mit Andreas Kringge (Maximillian Grill), seinem ebenso unerfahrenen wie pedantischen Partner.
Seit April 2010 kurvt der letzte Bulle nun im grünen Opel Admiral durch Essen und erfreut sich seitdem stetig steigender Beliebtheit. Durchschnittlich 3 Millionen Zuschauer hatte die kurzweilige Ruhrpottkrimiserie im letzten Jahr. Heute startet die zweite Staffel. Bei Sat.1 ist man mit dem "Schimmi 2.0" sehr zufrieden. Ohnehin wolle man "wieder mehr auf Eigenproduktionen setzen", sagt Petra Hinteneder vom Münchner Sender. Dementsprechend geht heute auch "Danni Lowinski", der zweite Teil des bewährten montäglichen Abendprogramms, im Anschluss um 21.15 Uhr in die nächste Runde. Hauptdarstellerin Anette Frier erhielt für ihre Verkörperung der patent-prolligen Anwältin zuletzt den Bayerischen Fernsehpreis.
Mick Briskau jedenfalls kommt langsam im 21. Jahrhundert an. Dank seines Partners kriegt er auch die "modernen Ermittlungsmethoden" einigermaßen in den Griff, mit der "Psychotante" läuft's auch ganz gut, was aber nicht heißt, dass sich Testosteron und Temperament leicht kontrollieren lassen. Wenn es sein muss, gibt's eben auch mal was auf die Fresse, Rauchverbot ist was für Weicheier und Sushi "Essen für Farbenblinde".
Briskaus verbale Feuerkraft kriegt dann in der aktuellen Folge "Mord auf Distanz" auch prompt eine Bauunternehmerin zu spüren. Die Verdächtige wird vom Ermittlerduo bei ihrer Entspannungsgymnastik im Büro erwischt - die an einen längeren Toilettenbesuch erinnert - und fängt sich daraufhin folgenden galanten Kommentar ein: "So steh ich auch manchmal da, wenn ich zu viele Bananen gegessen hab." "Das ist Yoga, du Horst", entgegnet Kollege Kringge entnervt.
Es sind die markanten Dialoge, die den letzten Bullen sehenswert machen, der knackige Wortwitz, gepaart mit vor Direktheit strotzendem Ruhrgebietscharme. Wobei die Headautoren Robert Dannenberg und Stefan Scheich den restlichen Charakteren zum Glück im Laufe der Serie mehr und mehr Schlagfertigkeit zugestehen. Und gerade diese Sitcom-artigen Momente machen den hohen Unterhaltungswert aus. Der eigentliche Knaller ist jedoch die passgenau eingestreute 80er-Musik. Ob nun David Bowie, Foreigner oder Cyndi Lauper - der Soundtrack passt mustergültig auf die einzelnen Handlungsstränge der Serie.
"Man muss modern deutsch erzählen", sagt Philipp Steffens von greenskyfilms zum Erfolg der Reihe. Der Produzent kam frisch von der Filmhochschule in Ludwigsburg, als er die Idee vom "Typen, der in der Vergangenheit feststeckt und seinen ganz eigenen Strukturwandel erlebt", bei Sat.1 unterbrachte. Dabei ist die Serie auch als Kontrapunkt zu den von chemisch-physischen Elementen dominierten US-Formaten - also Krimis, in denen ohne perfekte Spurensicherung gar nichts geht - gedacht.
Mick Briskau macht eben klare Ansagen und keine Analysen. Meckert einer beim Feierabendbier, dass er noch fahren müsse, entgegnet der letzte Bulle verständnisvoll: "Kumpel, wenn wir hier fertig sind, kannste nicht mal mehr laufen."
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale