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Archiv-Artikel

Der kurze Satz zum langen Abschied

Peter Handke kündigt seinen Rückzug aus der Öffentlichkeit an. Er spricht bei der Gelegenheit von „seinem Idiotentum“

Erstaunlich jung sieht er derzeit aus. Der Schriftsteller Peter Handke, immerhin auch schon 60, scheint sich eine beneidenswerte Jugendlichkeit bewahren zu können, die die Ausstrahlung so manchen früh gealterten Jungautors in den Schatten stellt. So der Eindruck, wenn man sich aktuelle Handke-Fotos anschaut, wobei zusätzlich erwähnt werden sollte, dass Handke-Fotos-Anschauen nun schon seit bald vier Jahrzehnten zu einer der allerliebsten Übungen unseres Kulturbetriebs gehört.

Der zornige, junge Beat-Poet in den Sechzigern, der Wandersmann der Achtziger, der In-die-Ferne-Schauer und zornige Balkanreisende der Neunzigerjahre: Handke war von Anfang seiner steilen Karriere an nicht nur einfach ein guter und vielleicht ja sogar auch wirklich großer Schriftsteller gewesen. Sondern zumindest bis zu seinem merkwürdigen Serbien-Engagement zugleich stets das, was auf Englisch role model heißt und mit dem deutschen Wort Vorbild nicht richtig wiedergegeben werden kann: eine Blaupause, nach der andere Autoren ihre Rolle interpretieren und gestalten. Und nun gibt es von ihm also diese betont uninszeniert inszenierten Bilder, in denen uns der doch gar nicht mehr so junge Dichter offen, beinahe kindlich fragend anschaut – Uschi Glas ist nichts dagegen!

Und man denkt: So viel hat er schon gedacht und geschrieben, so viele Irrwege und Umwege ist er nun schon gegangen, so oft ist er schon in die Welt hinaus gewandert und wieder heimgekehrt zu Tisch und Stuhl und Manuskript und Bleistift – und doch kann man auf den Bildern keinen erfahrungssatten Menschen ausmachen. Im Gegenteil. Dort präsentiert sich jemand jenseits von Bedenkenträgerei und Bescheidwissen. Fast möchte man also beim Betrachten dieser Bilder jede Sorge vor der Überalterung der Gesellschaft mit einer Handbewegung beiseite fegen.

Neben dem Handke-Fotos-Betrachten gehört natürlich auch das Handke-Äußerungen-Bedenken zu den Lieblingsgepflogenheiten des Betriebs, und dazu gibt es nun wieder guten Anlass. „Das ist das letzte Mal, dass ich mein Idiotentum öffentlich zeige“, hat er gerade in Salzburg gesagt, als man ihm dort die Ehrendoktorwürde verliehen hat, und damit hat er also seinen Rückzug aus der Öffentlichkeit angekündigt: „Ab jetzt könnt ihr mich vor Gericht bringen, wenn ich noch einmal im Leben öffentlich auftreten soll.“ Ach, na ja, Handkes alte Öffentlichkeits- und Medienschelte, denkt man da natürlich sofort und wundert sich auch ein bisschen darüber, wie öffentlichkeitswirksam es ihm schon wieder gelungen ist, sie unterzubringen. Aber dann, „mein Idiotentum“: Hat Handke sich da etwa gerade öffentlich als Idiot bezeichnet, der seine Idiotie nur eben zukünftig lieber für sich behalten will? Der Satz lässt sich durchaus so verstehen, neben der Lesart, dass er sich nicht mehr öffentlich zum Idioten machen will (was natürlich sein gutes Recht ist). Ein typischer Handke-Satz also, der einen schönen Eigensinn entwickelt.

Insofern kann man gelassen abwarten, ob Handke seine Ankündigung wahrmachen wird – Bücher werden ja sowieso weiterhin erscheinen. Die im besten Sinne und beinahe jugendlich wirkenden torenhaften Züge dieser Ankündigung jedoch (schalkhaft wäre zu wenig), muss man beinahe bewundern. Außerdem passen sie zu seinen aktuellen Fotos. DIRK KNIPPHALS