: Der große braune Bär
■ „Auf Messers Schneide“ – Lee Tamahori und David Mamet loten Männerrivalität aus
Wenn es Städter in die Wildnis verschlägt, ach: Bei dem Filmemacher Lee Tamahori und dem Autoren David Mamet kann man wohl sicher sein, daß keiner der beiden je an irgendeinem gottverlassenen Winkel der Erde Trinkwasser aus Kakteen geknautscht oder Herrenoberbekleidung aus Tierhäuten gezimmert hat. Muß ja auch nicht sein. Andererseits werden da auch für die urbanen Künstler und Grübler die unwirtlichen Regionen weit, weit entfernt von Kabelfernsehen und Kaffeehäusern schnell zur „Faszination Natur“. So klingt das in ihrem Werk und so sieht es auch aus.
In Tamahoris „Auf Messers Schneide“ verschickt Mamet Anthony Hopkins und Alex Baldwin in die finsterste Ecke der Wildnis von Alaska. Hopkins als grenzparanoider Milliardär Charles Morse wollte eigentlich nur mit seiner Fotomodell-Ehefrau (Elle MacPherson) ein paar Tage in der Natur ausspannen. Daß ihre Entourage einige unheimlich indianisch-ursprüngliche Fotoserien mit ihr herunterknipst, ist akzeptabel. Wie sie dabei den etwas dicklichen, etwas zynischen Modephotographen Robert (Baldwin) anguckt, sorgt bei dem ergrauten Ehemann dann schon eher für Unwohlsein.
Also entschließt sich der Milliardär zum kurzfristigen Urlaub vom Urlaub, den vermeintlichen Rivalen im Blick. Leider verkürzt ein Vogelschwarm den Ausflug per Flugzeug, indem er die kleine Maschine zum Absturz bringt. Drei Städter stranden also mitten in der „Faszination Natur“. Immerhin hat der Milliardär genügend Bücher gelesen, um zu wissen, wie man aus einem Blatt, einer Büroklammer und etwas stillem Wasser einen Kompass bastelt.
Damit das durch die Wälder Alaskas herumirrende Trio nicht allzu viel Gefallen an der bildhübschen, weil unberührten Natur findet (die Berge! die Bäume!), werden sie rasch mit Temperatursturz, Regenfluten und einem Bären konfrontiert. Auf den hat man schon gewartet, seit ein Einheimischer einen bedeutungsschweren Exkurs über diese Tiere Alaskas anstimmte. Wenn er auftritt, übertrifft er alle Erwartungen: „Bart The Bear“, ein gewaltiger Kodiak-Bär, ungebändigte, rohe Naturgewalt mit Pelz, Klauen und Zähnen, liefert eine Oscar-reife Leistung als rücksichtloser „Menschenfresser“. Zwar wird er bei seinem bösen Treiben von menschlichen oder computergenerierten Doubles unterstützt, aber jeder Star hat seine Helfer.
Klar, der Bär muß sterben. Klar auch, daß die wackelige Allianz zwischen Ehemann und Nebenbuhler in bester Wildwest-Manier aufgelöst wird: Aus diesen Wäldern geht nur einer aufrecht heraus, der andere wird höchstens getragen. Leider fügt sich die hölzern gespielte Männerrangelei auch vor der Naturkulisse zu nichts halbem oder ganzem – Mamet und Tamahori leisten für große Bären nur, was Spielberg für die Haie tat. Richtig vorurteilsfrei kann man dem Kodiak-Bären nach diesem Film jedenfalls nicht mehr begegnen. Thomas Klein
„Auf Messers Schneide“. Regie: Lee Tamahori, mit Anthony Hopkins, Alec Baldwin, Elle Macperhson, USA 1997. 117 Min.
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