: Der gewisse Dreh
■ Trisha Brown Company im Hebbel-Theater
Der Ruhm von Trisha Brown geht auf ihre heroische Phase in den sechziger Jahren zurück, in der sie sich selbst heute rückblickend als »an obscure artist« sieht, die gerade genug zum Überleben verdiente. Ihr Interesse galt der elementarsten Erforschung von Bewegung bis in eine simple Drehung des Daumens hinein, die sie in Watermotor, ihrem jetzt im Hebbel-Theater wiederaufgeführten prominenten Solo, zum Ausgangspunkt nahm. Zensiert wurde alles, was auch nur entfernt nach Theater, Ballett und modernem Tanz roch. Brown umkreiste auf einem Skateboard einen Volkswagen und ließ ihre Performer über die Wände des Museum of Modern Art wandern. Ob die Addition minimalistischer Bewegungen Tanz zu nennen war, interessierte sie wenig.Heute, nach drei Jahrzehnten choreographischer Arbeit, benutzt Trisha Brown selbst im Hinblick auf ihre eigene Entwicklung ein Bild verquerer Dynamik und bezeichnet die Stilveränderung als einzige Konstante ihres Wegs. Ende der siebziger Jahre entschloß sie sich, mit ihrer Company in die konventionellen Räume der Kunst einzudringen und auf normalen Bühnen zu tanzen. Sie schickte ihre Tänzer in Wirbel und Schwärmen aus, deren divergierende Energie von keinem Zentrum aus mehr steuerbar erschien. Der Blick nach innen auf den Mikrokosmos molekularer Strukturen und nach außen auf Knotenpunkte des Verkehrs galt als Ausgangsmaterial. Die Anforderungen an die Tänzer stiegen, die nun ein virtuoses Vokabular mit der Lässigkeit ruhig fließenden Atems ausführen mußten. In dieser Zeit entstand Opal Loop, Teil des jetzt im Hebbel-Theater zu sehenden Programms.Dem Chaos folgte die Geometrie. Brown, die schon länger Robert Rauschenberg für die visuelle Gestaltung heranzog, empfand ihre Entwicklung als die eines von innen arbeitenden Bewegungskünstlers zu der eines von außen betrachtenden Augenkünstlers. Der Weg des Zeichenstiftes über das Papier konnte nun zum Anlaß der Bewegungsmuster werden. Brown zog ihren eigenen Körper als ständiges Instrument der Bewegungsforschung zurück und ließ die Tänzer mit ihr fremden Körpersprachen und theoretischem Material experimentieren. Astral Convertible ist ein Demonstrationsobjekt dieser Liebe zur Geometrie.Mit Foray Forêt, 1990 entstanden, schließt der tanzhistorische Überblick, mit dem Brown anläßlich des 20jährigen Bestehens ihrer Company durch Europa tourt. Verglichen mit ihren fast schon heiliggesprochenen rebellischen Anfängen, hat sie jetzt eine blasphemische Begeisterung für theatralische Effekte eingeholt. kbm
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