Der digitale Zeitungskiosk „Blendle“: Blendlende Aussicht
Blendle kommt nach Deutschland. Der Kiosk bietet Artikel zu Cent-Beträgen und mit Rückgabegarantie. Fast alle großen Verlage beteiligen sich.
Vor gut einem Jahr hat der Niederländer Blankesteijn in seiner Heimat den digitalen Zeitungskiosk Blendle eröffnet: eine Webseite, an der mittlerweile alle großen Verlage Artikel einzeln zum Verkauf anbieten. Nutzer können sich ihre Auswahl selbst zusammenstellen: den Wirtschaftsaufmacher aus Zeitung A, die Kulturkolumne aus Magazin B, die Filmrezension aus Wochenzeitung C.
Wie viel die Artikel kosten, entscheiden die Verlage. Momentan verlangen sie pro Text etwa 25 Cent, einige auch mehr. 30 Prozent davon gehen an Blendle. Es ist also das Prinzip iTunes - mit einer Ausnahme: Der Leser kann Artikel, die ihm nicht gefallen, zurückgeben und bekommt das Geld wieder. Wenn das aber zu oft passiert, wird diese Funktion gesperrt.
Interesse am Journalismus
In den Niederlanden hat Blendle bereits rund 300.000 Nutzer, zwei Drittel davon sind unter 35. Für Blankesteijn ist das der Beweis, dass junge Leute, die viele Verlage längst aufgegeben haben, sich für Journalismus interessieren. Blankesteijn ist selbst gelernter Journalist. Er hat festgestellt, dass immer weniger Leute seine Texte lesen. Nicht, so glaubt er, weil sie sich nicht dafür interessieren, sondern weil es ihnen absurd erscheint, Geld für eine Zeitung auszugeben, in dem sie nur einen Teil lesen wollen.
Also müssen die Vertriebswege geändert werden, dachte er und entwarf mit einem Freund Blendle. Mittlerweile arbeiten 50 Leute für das Unternehmen, im vergangenen Herbst sind die New York Times und der Axel Springer Verlag mit drei Millionen Euro eingestiegen. Dafür halten sie jetzt zusammen 23 Prozent an dem Unternehmen, die Mehrheit liegt bei den Gründern.
Zum Deutschlandstart sind 36 Zeitungen und Magazine dabei, überregionale, wie Zeit, Süddeutsche, Gala und Neon, und regionale, wie Thüringer Allgemeine, Mannheimer Morgen und Kölner Stadtanzeiger. Von den großen Verlagen fehlen nur Burda und Bauer.
Blankesteijn beschreibt sein Projekt gegenüber dem Cicero als eine Verbindung von „Twitter, Google News, PayPal und Leidenschaft für Qualitätsjournalismus“, vergisst dabei aber Facebook. Jeder Leser kann sich auch mit seinem Facebook-Profil anmelden, denn Blendle ist nicht nur Kiosk und Nachrichtenarchiv, sondern auch soziales Netzwerk. Leser können Empfehlungen von Freunden und Promis folgen. Dafür leitet Blendle anonymisierte Daten über die Leserschaft an die Verlage weiter.
Das Modell Spotify
Blendle startet nun zwar mit einigem Tamtam, ist aber nicht das erste Angebot dieser Art in Deutschland. Mitte Mai ist „Pocketstory“ gestartet, ein Start-up aus Hamburg, das ähnlich funktioniert wie Blendle, allerdings noch weniger Zeitungen und Zeitschriften im Angebot hat.
Auch Apple und Google verkaufen über ihre Kiosk-Apps digitale Zeitschriften, und das schwedische Start-up Readly bietet für 9,99 Euro im Monat eine Lese-Flatrate. Im Gegensatz zu Blendle ist Readly also eher das Modell Spotify, das vor allem die bunten Blättchen aus dem Hause Bauer und Funke anbietet. Bisher waren diese Angebote aber nicht sonderlich erfolgreich.
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