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Der blinde BogenschützeZielen nach Gefühl

10 Prozent Sehkraft auf dem einen, 20 Prozent auf dem anderen Auge und trotzdem Goldfavorit: Der südkoreanische Bogenschütze Im Dong-Hyun.

Quasiblinder Weltrekordler im Bogenschießen: Im Dong Hyun Bild: dapd

Für den südkoreanischen Bogenschützen Im Dong-Hyun sieht die Zielscheibe so aus als hätte man verschiedene Farben ins Wasser getaucht. Die Grenzen und Linien zwischen den Farben sieht er verschwommen – weil er seit seiner Geburt stark sehbehindert ist.

Mitleid will Im nicht. Braucht er auch nicht. Denn das, was er sieht, reicht ihm, um derzeit einer der besten Bogenschützen der Welt zu sein. Das heißt konkret: Er zielt aus 70 Meter Entfernung in ein Ziel von 12,2 Zentimetern Durchmesser. Und das, obwohl er mit einer Sehkraft von 20 Prozent auf dem rechten Auge und 10 Prozent Sehkraft auf dem linken Auge wohl kaum eine Zeitung lesen kann.

In seinem zehnten Lebensjahr begann der 26-Jährige auf Anraten seines Lehrers sein Training im Bogenschießen. Nun ist er zum dritten Mal eine Medaillenhoffnung bei Olympia. Gemeinsam mit seinem Team holte er 2004 in Athen und 2008 in Beijing die Goldmedaille. In London hat es im Team diesmal nur für Bronze gereicht. Doch das Einzel der Männer steht noch aus und auch dort hat Im gute Chancen. Bereits im Vorkampf stellte er einen neuen Weltrekordauf: Mit 72 Pfeilen erzielte er 699 Ringe. Damit übertraf er seine eigene Bestleistung um drei Ringe. „Der blinde Bogenschütze“ nennen ihn seine Fans.

Zielen ohne Sehhilfe

Eigentlich könnte Im eine Brille oder Kontaktlinsen beim Bogenschießen tragen. Das macht er aber nicht. Auch einer denkbaren Operation möchte er sich nicht unterziehen. Er verlässt sich lieber auf sein „Gefühl“, wie er sagt. „Ich habe es bereits mit einer Brille versucht, aber damit habe ich mich nicht wohl gefühlt“.

Überhaupt mag er es nicht, wenn man über seine Sehbehinderung spricht: „Ich habe weder einen Blindenstock noch einen Blindenhund. Ich finde es unerfreulich, wenn mich Leute als behindert bezeichnen.“ Das sagte Im nach einer Übungsrunde auf dem Lord's Cricket Ground, wie The Telegraph berichtet. Dort, wo auch heute die Wettkämpfe im Bogenschießen stattfinden.

Mal sehen, ob er da das richtige Gefühl beweist. Dann könnte er mit seiner Goldmedaille gleich mal ne Runde durch London drehen, auf dem Fahrrad – denn Radfahren ist sein Hobby.

Bogenschießen Einzel Finale: Freitag, 3. August ab 16.21 Uhr

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1 Kommentar

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  • T
    TechnischBlind

    Also da haben die Marketingstrategen wirklich mal ne große Leistung erbracht. Soweit ich mich erinnern kann, ist die Sehkraftprozentzahl kurvenförmig gegen 0 (bin kein Mathematiker, da bitte nicht darauf herumreiten), da befindet sich meine Sehkraft dann schon schnell im Promillebereich.

     

    Beim Bogenschießen wird noch nicht mal jemand mit 120% die Scheiben noch total unverschwommen wahrnehmen können, und sogar ich kann auf 50 Meter noch den Umriss erkennen. Der Rest ist dann Transferleistung (Ballistik, Wind etc.). Das eine Brille oder Kontaktlinsen da eher stören ist klar, weil die Sichtwinkel verändert werden und dies zu einer krassen Umstellung führen würde.

     

    Sicher ein toller Athlet, der einen kleinen Nachteil gegenüber dem Rest hat, diesen aber durch gute Instinkt/Kopfarbeit ausgleicht. Aber den x-ten Artikel darüber zu veröffentlichen?