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Der aufrechte Gang

Die Zehnkämpfer kämpfen bei der Weltmeisterschaft um Punkte, nicht gegen Menschen  ■ Aus Stuttgart Cornelia Heim

Es wird viel gelacht unter Zehnkämpfern. Christian Schenk, der Olympiasieger von Seoul, ist zwar nach einem Verletzungstief „heiß auf eine Medaille“, doch sein Ehrgeiz hält ihn nicht davon ab, seinen Rivalen vor dem Wettkampf „viel Glück“ zu wünschen. So wie sie sich geben – natürlich, offen, fair – möchten sie auch in der Öffentlichkeit ankommen. Bundestrainer Claus Marek: „Wir wollen zeigen, daß die gebeutelte Leichtathletik in eine neue Richtung gehen kann. Aufrechten Ganges.“

Pressekonferenz des Zehnkampf-Teams. Daley Thompson, der ewige Erste, knufft seinen früheren Rivalen Hingsen in die etwas fülliger gewordene Hüfte: „Jürgen, diesmal holst Du den Titel.“ Dieser gluckst in sich hinein. Den letzten großen Kampf lieferte sich der Brite Thompson mit den Deutschen Hingsen und Siggi Wentz 1986 bei der EM in Stuttgart. Diesmal besteht die sportliche Übung der drei großen, „alten“ Herren lediglich im Bekunden einer (Drei-)Einigkeit vor laufenden Kameras und gespitzten Bleistiften: Für ihre Nachfolger in den Sportarenen. Ziel des Zehnkampf-Teams ist der saubere Sport ohne Doping. Eine wahre Herkules-Tat: Siggi Wentz ist als Präsident genau der richtige.

So voll wie gestern war das Gottlieb-Daimler-Stadion in den frühen Morgenstunden noch nie: ausverkauft. Die Fans pilgern auf der „Sponsorenmeile“ auch am Stand des Zehnkampf-Teams vorbei. Man erkennt die Athleten. Sie tragen Einheitslook: Käppis, T- Shirts und Hosen in grün, schwarz oder grau, welche das Team vertreibt. Aus Solidarität miteinander. Sie kämpfen um Punkte, aber eben nicht gegen Menschen: Wie Paul Meier, der nach einem furiosen 100-m-Lauf (10,57 Sekunden) den zeitgleichen Favoriten Dan O'Brien mit einem kumpelhaften Händedruck beglückwünscht. Wie Christian Schenk, der trotz aller Konzentration auf den Weitsprung in den Pausen ein Pläuschchen mit Christian Plaziat einschiebt. Das Stadion tobt. Sport um des Sports willen kommt an.

Vor drei Jahren wurde das deutsche Zehnkampf-Team geboren. Die Geburtswehen waren heftig: Nabeln sich die Jungs doch glatt ab, und ziehen auch noch öffentlich über ihre alte Mutter DLV her. Sie verteilten im eigenen Magazin „Bananen“ für verkrustete Strukturen, schlechte Führung, halbherzigen Kampf gegen Doping und Menschen wie den ehemaligen Sportwart Manfred Steinbach. Die Trotzköpfe wurden immer mehr. Heute ist der Verein den Kinderschuhen entwachsen und steht auf eigenen Beinen.

300.000 Mark kommen über eigene Sponsoren herein. Davon – und nicht vom DLV – werden Trainingslager bezahlt, die Jugendarbeit finanziert. Die wichtigste Übung der Mehrkämpfer aber ist der Kampf für einen drogenfreien Sport. Mit Müsli und Möhren zur Höchstleistung.

Durch das Erstellen eines Steroid-Atlasses bei dem Kölner Biochemiker Manfred Donike läßt sich die anfangs belächelte Parole nun auch wissenschaftlich dokumentieren. „Das schafft Vertrauen unter den Athleten, wenn sie für Transparenz sorgen“, sagt Holger Schmidt, der Ex-Trainer von Wentz und Schenk und heutige Geschäftsführer des Teams. Doch bei aller sympathischen Kameradschaft: International sind noch längst nicht alle „top without doping“. Nächste Disziplin also: Den Teamgedanken auf die internationale Plattform tragen. Erste Schritte in diese Richtung werden in Stuttgart gemacht. Japaner, Franzosen und Kanadier bekunden Interesse. Holger Schmidt: „Dahinter steckt auch die Idee, daß es irgendwann einmal lukrativ sein muß, sauber zu sein.“

Richtige Manager hat das Team heute: Joachim Schmidt und Holger Schmidt. Der Generationenkonflikt scheint beigelegt. Wenn der DLV allmorgendlich seine Pressekonferenzen abhält, prangt im Hintergrund ein Schild, auf dem neben den beiden Sponsoren die Schriftzüge von Zehnkampf-Team und DLV einträchtig nebeneinander firmieren. Partner statt Kontrahenten? Das Team geht eigene Wege, aber nicht fremd. Bundestrainer Claus Marek: „Der DLV erkennt uns mittlerweile als Kollegen an. Hoffen wir, daß die neue Führung uns weiterhin den nötigen Freiraum gewährt.“

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