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Der allerletzte Pop-Star

■ David Bowie und The Prodigy beim „Go Bang!“-Festival in Lübeck

Erstaunliche Dinge passieren, wenn David Bowie eine neue Platte rausbringt. Nach dem Erscheinen seines aktuellen Albums zum Beispiel mokierten sich eingefleischte Rockisten darüber, daß der Mann überhaupt keinen echten Drum'n'Bass spielen würde. Seltsam: Menschen, die sonst beim Anblick von Computern Pickel kriegen, werden auf einmal zu Verfechtern genuiner Elektronika. An Bowie aber perlen solche Sprüche ab wie Wasser an seiner gern mal kunstledernen Kleidung – ist ja sowieso alle Jahre dasselbe Procedere.

Der Vorwurf, er vereinnahme eine angesagte Strömung, ereilt Bowie, wann immer er eine Platte herausbringt. Und weil diese Kritik den ansonsten ungelenken Anwälten des Rock endlich mal flott und ironisch über die Lippen geht, wird gern ignoriert, daß der Künstler über all die Jahre konsequent wie kein zweiter Star seiner Größenordnung an einer unverkennbaren Autorensprache gefeilt hat – wenn es auch, zugegeben, in den Achtzigern einige irre Aussetzer gegeben hat. Doch welchen in der Luft liegenden Schwingungen er auch nachgibt: Einen Song von Bowie erkennst du sofort.

Jetzt also Drum'n'Bass. Earthling, das neue Album, errichtet mit Breakbeat-Bausteinen eine Kulisse, vor der sich der ehrenwerte Selbstdarsteller einwandfrei in Szene setzt. Die Jungle-Rhythmen werden kompetent abgerufen, das flirrt hübsch, aber aus jedem Track strahlt Bowie hervor. In „Little Wonder“etwa zitiert er aus seinem Hit „The Laughing Gnome“, und die atonalen Zerfaserungen an allen Enden erinnern ans Meisterwerk Aladdin Sane. Was nicht verwundert, denn in seinem Ensemble befinden sich alte Bekannte. Einige davon werden auch heute beim längst ausverkauften Club-Konzert in der Großen Freiheit dabei sein, drei Stunden soll es dauern (Nachbericht am Sonnabend in der taz).

Bowie kann seinen Namen immer wieder im Zentrum des Geschehens plazieren. Daß er Anfang des Jahres in New York ganz groß seinen 50. feierte, hat ihn keineswegs ruhiggestellt. Das Ende von Glamour und Style, von Bewegung also als wunderbarem Selbstzweck, wäre auch das Ende des David Bowie. Denn er ist der allerletzte Pop-Star, und Zynismus ist ihm gänzlich fremd. Deshalb setzte er vor kurzem noch alles daran, mit Blur abzuhängen, und deshalb wollte er sich unbedingt mit The Prodigy fotografieren lassen – die aber lösten sich ein bißchen genervt aus seiner Umarmung. Bowie ist wie ein Vater, der sich in einem Anfall von Wahnsinn über die Spielsachen der Kleinen hermacht, während die schon wieder gelangweilt in der Ecke flezen.

Und weil er sich über alles freut, was bunt und laut und kurzweilig daherkommt, ist Bowie jetzt mit The Prodigy auf Festival-Tour. Im Vorprogramm ackert die übliche Auswahl ein bißchen alternativer Rockcombos, Rage Against The Machine und Helmet und so. Okay, aber nicht sonderlich erwähnenswert. Die Technorocker von The Prodigy hingegen sollen sowas wie die Zukunft der Popmusik verkörpern, worüber noch diskutiert werden muß. David Bowie braucht sich jedenfalls keine Sorgen zu machen. Er ist, das schreibt sich hier ganz einfach, die Vergangenheit und die Gegenwart und die Zukunft der Popmusik. Christian Buß

Sa, 7. Juni, Flugplatz Blankensee (Lübeck), Einlaß: 11 Uhr, Beginn: 13 Uhr. Karten gibt es noch an der Tageskasse

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