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Archiv-Artikel

Der Wettlauf der Spender

Hunderte Millionen Dollar an Spenden und US-Kriegsschiffe mit tausenden Soldaten: Weltweit rollt die Hilfe für Südasien

VON DOMINIC JOHNSON

Nun jagen sie einander, die dicken Hilfszusagen aus aller Welt für die Opfer der Flutkatastrophe in Südasien. 35 Millionen Dollar (25,7 Millionen Euro) aus den USA, ebenso viel aus Australien. 30 Millionen Dollar (22,5 Millionen Euro) aus Japan. 15 Millionen Pfund (21,3 Millionen Euro) aus Großbritannien. 20 Millionen Euro aus Deutschland. Je 10 Millionen Dollar (7,5 Millionen Euro) aus Saudi-Arabien und Katar. Umgerechnet 6 Millionen Euro aus Norwegen, knapp 4 Millionen aus Neuseeland, knapp 2 Millionen aus Kuwait. Indien, selbst mit 7.000 Toten schwer getroffen, stellt den anderen Flutländern 23 Millionen Dollar zur Verfügung. Von Taiwan bis Marokko werden Hilfsgüter ins Krisengebiet geflogen.

Die Gesamtzusagen liegen schon bei weit über 150 Millionen Dollar aus 25 Ländern. Die UN-Abteilung zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) zählte bis gestern Hilfszusagen von über 81 Millionen Dollar. „Aus Koordinierungsgründen werden Geber gebeten, das Genfer OCHA-Büro über bilaterale Hilfsmissionen, Zusagen und Lieferungen sowie ihren aufgeschlüsselten Wert zu informieren“, bittet die UN-Behörde.

Spektakulärster Teil der anrollenden internationalen Hilfsaktion ist wohl die von Washington angekündigte Entsendung von mindestens 20 US-Kriegsschiffen, darunter ein Flugzeugträger, mit 15.000 Soldaten an Bord. Sie sollen Hilfsgüter in die Region bringen.

Und das ist erst der Anfang. US-Außenminister Colin Powell spricht von „Milliardensummen“. Gegenüber der Financial Times spricht eine hochrangige UN-Offizielle von einem bevorstehenden UN-Hilfsappell, der die 1,6 Milliarden Dollar für Wiederaufbau im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins in den Schatten stellen werde.

Für die unmittelbare Versorgung überlebender Flutopfer ist das viel zu viel. Nothilfe und langfristige Wiederaufbauhilfe werden bunt durcheinander gemischt. Die Weltbank schätzt die gesamte benötigte ausländische Wiederaufbauhilfe auf 5 Milliarden Dollar. Selbst das ist weniger, als das Land Berlin jedes Jahr für Beamtengehälter ausgibt. Nicht mit eingerechnet darin sind jedoch die unkalkulierbaren Schäden bei Hinterbliebenen oder der Einbruch der Tourismusbranche.

Sumatra, die am schwersten betroffene Insel Indonesiens mit der Krisenprovinz Aceh, wird wohl 1 Milliarde Dollar für Wiederaufbau brauchen, schätzten Experten gestern. Aber den unmittelbaren Nothilfebedarf schätzte Indonesiens Vizepräsident Yusuf Kalla bei einem Treffen mit 30 Hilfsorganisationen gestern auf 145 Millionen Dollar. Auch 145 Millionen Dollar sind viel, gemessen an anderen humanitären Katastrophen auf der Welt. Unterkünfte, Lebensmittel und Medikamente für die schätzungsweise 500.000 obdachlos gewordenen Inselbewohner sind in dieser Summe enthalten, dazu die Kosten der Wiederherstellung von Telefonanschlüssen, Stromleitungen und Straßen und Hilfslieferungen für ein Jahr. Am liebsten würde der Vizepräsident das wohl selber machen. Er ist Teileigentümer der Fluglinie „Nusantara Air Charter“, die Hilfsgüter nach Aceh fliegen soll.

Unmittelbar gilt es, den Ausbruch von Seuchen zu verhindern. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass die unkontrollierte Ausbreitung von Infektionskrankheiten in den zerstörten Gebieten genauso viele Opfer fordern könnte wie zuvor die Flutkatastrophe. Die Gefahr geht nach Angaben von Gesundheitsexperten nicht, wie landläufig angenommen, von verwesenden Leichen aus; wenn die Toten erst einmal geborgen sind, ist es nicht nötig, sie überhastet in Massengräbern zu bestatten, wie dies fernsehwirksam und zum Leidwesen der Hinterbliebenen vielerorts geschieht. Gefährlich sind eher der Zusammenbruch der Trinkwasserversorgung und die Vermehrung von Seuchenerregern in stehendem Wasser, in das sich menschliche Ausscheidungen mischen.

Gerechnet wird daher in den nächsten Tagen mit verbreiteten Durchfallerkrankungen und Cholera sowie der Ausbreitung insektenübertragener Tropeninfektionen wie Malaria, Dengue-Fieber und diverser Atemwegserkrankungen. Großflächige Trinkwasseraufbereitung und die schnelle Bereitstellung sanitärer Einrichtungen sind daher am dringendsten, gefolgt von Reparaturen zerstörter Kanalisation.

Ob die jetzt zugesagten Gelder dies ermöglichen, bleibt abzuwarten. Geld zu versprechen ist schließlich nur ein erster Schritt. Es muss auch jemand kriegen. Der Empfänger muss es ausgeben. Und zum Schluss müssen die bezahlten Güter und Dienstleistungen die Bedürftigen erreichen. Das ist meist keine Geldfrage, sondern eine der Kooperationsfähigkeit und Kompetenz der Helfer. Und an diesen Qualitäten mangelt es erfahrungsgemäß mehr als an Mitleid.