hamburger szene : Der Wert der Stille
Montagmorgen in einem vornehmen Hotel an der Alster. Im gediegen eingerichteten Frühstücksraum ist es, abgesehen von gelegentlichem Besteckgeklapper, ruhig. Der große Andrang ist vorüber und nur noch drei Paare sitzen im oberen Stockwerk. Nur eines hat ein Kind dabei. Das Mädchen mit braunen Augen und Korkenzieherlocken ist sehr unruhig und verweigert das Frühstück. Keine der angebotenen Delikatessen kann sie dazu bewegen, etwas zu essen. Lediglich an ihrem Saft nippt sie. Und je länger sich die Eltern mit ihren Spiegeleiern Zeit lassen, desto zappeliger wird sie.
Der Vater redet genervt auf Deutsch mit der Kleinen. Die Mutter wiederum versucht, das Mädchen auf Spanisch zu beruhigen. Aber keine Sprache führt die erwünschte Stille herbei. Immer ungeduldiger schimpft der Vater mit seiner Tochter. Schließlich reißt ihm der Geduldsfaden, als das Mädchen anfängt zu weinen. Der Vater lässt sich nicht auf weitere Diskussionen ein. Er klemmt sich die Kleine unter den Arm und verlässt das Hotel durch den Nebeneingang. Die Mutter guckt schweigend hinterher. Auf das Kind unterm Arm einbrüllend sieht man ihn hektisch die Straße hinunterlaufen. Bis die beiden um die nächste Ecke verschwinden. Kurze Zeit später aber sitzen sie wieder mit der Mutter am Tisch. Unglaublich harmonisch. Der Vater ist freundlich und zuvorkommend zu seiner nun sehr ruhigen Tochter. Vielleicht ist bilinguale Erziehung doch nicht so eine gute Idee. Nele Leubner