: Der Wald kommt auf keinen grünen Zweig
■ Waldschadensbericht: Fast drei Viertel der Bäume in den Berliner Wäldern sind krank. Trotz des guten Klimas brachte 1997 keine Erholung für die Pflanzen. "Nachhaltige Schäden durch ständige Überbeans
Das Waldsterben in den Berliner Forsten geht ungebremst weiter. Trotz günstiger klimatischer Bedingungen konnten sich die Bäume im vergangenen Jahr nicht von der Belastung des Bodens und der Luft durch Schadstoffe erholen. Das ist das Ergebnis des „Waldzustandsberichts 1997“ der Umweltverwaltung. Demnach liegen „die Schäden im Vergleich zu den Vorjahren auf etwa demselben, zu hohen Niveau“, heißt es. „Eine Entwarnung bei der Waldschadenssituation ist deshalb nicht möglich.“
Nur noch 27,8 Prozent des Berliner Waldes von insgesamt 15.000 Hektar sind nach den repräsentativen Daten ohne Schädigungen. 1996 waren es immerhin 37 Prozent. Etwa die Hälfte der Bäume sind leicht geschädigt, 20 Prozent sind schwer krank oder abgestorben (1996: 13 Prozent). Bei den beiden Hauptbaumarten Eiche und Kiefer konstatiert der Bericht eine „Verschlechterung des Gesundheitszustandes“. Bei allen Bäumen „nehmen die Schäden mit zunehmendem Alter zu“, heißt es. „Das Niveau der Schadsituation blieb insgesamt etwa auf dem Stand der Vorjahre.“
Das aber ist keine gute Nachricht. Denn im ablaufenden Jahr hatten die Bäume eine Atempause und Chance, sich zu erholen, weil das Wetter für die Bäume sehr gut war: Weder gab es extreme Temperaturen noch lange Trockenperioden. Doch das Ökosystem Wald konnte sich nicht deutlich regenerieren: „Die Pufferkapazitäten des Waldes unterliegen einer ständigen Überbeanspruchung.“ So hat etwa die Belastung durch Ozon zugenommen, vor allem im Köpenicker Wald, wohin der vorherrschende Wind das Gas aus den Auspufftöpfen der Autos bläst.
Insgesamt „gingen mit Ausnahme der Stickstoffverbindungen die Einträge vieler Stoffe drastisch zurück“, heißt es im Bericht. Die sauberere Luft bedeutet aber keine Entwarnung: „Die Auswirkungen dieses sehr uneinheitlichen Geschehens sind vielfältig und teilweise bedenklich für den Wald.“ So nahm zwar der Säuregrad des Regens ab, so daß die Bäume weniger direkt unter dem Niederschlag leiden. Doch der Waldboden bleibt gleichbleibend zu sauer, als daß der Wald auf einen grünen Zweig käme. Der Effekt: Den Pflanzen fehlen Nährstoffe, die ihnen in den vergangenen Jahren teilweise über die Schadstoffe im Staub der Luft zugeführt wurden. Paradoxerweise leiden die Bäume deshalb nun unter der sauberen Luft, weil diese Schadstoffe aus dem Staub inzwischen stark reduziert worden sind. Auch die Belastung durch Schwefeldioxid ist zurückgegangen, trotzdem leidet das Ökosystem, stellt der Bericht fest. Zum erstenmal zeige sich die Gelbfärbung von Nadelspitzen wegen des Ungleichgewichts der Nährstoffe: „Hier zeigen sich anscheinend erste sichtbare Folgen eines bereits länger andauernden, komplexen und sehr nachhaltigen Schadgeschehens“, resümieren die Waldökologen.
Der umweltpolitische Sprecher der grünen Fraktion, Hartwig Berger, hat dem Umweltsenator Peter Strieder (SPD) „Verschleierung und Verharmlosung“ vorgeworfen. Der Bericht hätte spätestens Anfang Oktober vorliegen müssen und werde auch jetzt erst im Internet publiziert. „Berlin muß endlich Konsequenzen aus der gravierenden Verschlechterung des Waldes ziehen“, forderte Berger: Die Ozonbelastung im Sommer müsse bekämpft werden, die umstrittene Innenstadtverordnung solle schadstoffreiche Autos aus der City verbannen. Bernhard Pötter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen