piwik no script img

Der Wahnsinn der EU-Kommission

Vorläufiger Bericht des BSE-Untersuchungsausschusses belegt Ignoranz gegenüber der gefährlichen Krankheit. Grüne wollen Kommission „bedingtes Mißtrauen“ aussprechen  ■ Von K.-P. Klingelschmitt

Berlin (taz) – Die Fraktion der Grünen im Europaparlament will erreichen, daß der Europäischen Kommission das „bedingte Mißtrauen“ ausgesprochen wird. Anlaß der vom Abgeordneten Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf angekündigte Offensive ist die Ignoranz der EU-Kommission gegenüber dem Rinderwahnsinn BSE. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur BSE- Krise in der Europäischen Union (EU) hatte in der vergangenen Woche den Entwurf für eine Abschlußerklärung vorgelegt. „Eindeutig schuldhaft“ soll sich die Kommission vor allem deshalb verhalten haben, weil sie zwischen 1990 und 1994 „keine einzige BSE- Kontrolle in Großbritannien“ habe durchführen lassen. Auch in anderen Mitgliedsstaaten, in denen die nationalen Kontrollen in diesem Zeitraum gelockert worden seien, habe die EU-Kommission nicht mit eigenen Kontrollen reagiert. Und die Kommission soll Bundesgesundheitsminister Seehofer sogar direkt aufgefordert haben, seine kritischen Wissenschaftler „zurückzupfeifen“. „Für die Kommission stand offenbar die Verwirklichung des Binnenmaktes im Vordergrund und nicht die Gesundheit der Bevölkerung," so der Stellvertreter von Baringdorf im Untersuchungsausschuß, Johannes Voggenhuber (MdE).

Vier Sofortmaßnahmen fordern die Grünen von der EU-Kommission. Zum einen soll dem EU-Parlament statt dem bisherigen Anhörungsrecht in allen Landwirtschaftsfragen endlich ein „Mitentscheidungsrecht“ zugestanden werden. Weiter müsse die Kommission dem Parlament rechtswirksame Vorschläge machen, wie die wissenschaftlichen und ständigen Ausschüsse neu organisiert werden können. Das Parlament müsse mehr Einblick und Kontrollmöglichkeiten bekommen. Und die Kommission soll Vorschläge vorlegen, wie die Arbeitsteilung zwischen Rat und ständigen Ausschüssen unter Beteiligung des Parlaments effektiver gestaltet werden kann. Im konkreten Fall fordern die Grünen die Kommission auf, „umgehend alle disziplinären und personellen Konsequenzen“, die im Untersuchungsberichtgefordert werden, unverzüglich einzuleiten.

Die Fraktion will bis zum 20. Januar noch verschärfende Änderungsanträge für den Abschlußbericht einbringen. Und die Grünen wollen erreichen, daß nicht sie alleine der Kommission das „bedingte Mitrauen“ aussprechen, sondern der gesamte Ausschuß. Die Chancen dafür, so war aus dem Büro von Baringdorf zu hören, stünden nicht schlecht. Morgen will EU-Kommissionspräsident Santer im Rahmen eines Hearings zum BSE-Untersuchungsausschuß eine Stellungnahme abgeben.

In Frankreich wurde inzwischen ein neuer Fall von Rinderwahnsinn bekannt. Wegen der Erkrankung einer achtjährigen Kuh in der Bretagne mußte eine ganze Herde von 42 Stück Vieh notgeschlachtet werden. Das ist der 26. BSE-Fall in Frankreich - gegenüber 160.000 Fällen in Großbritannien.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen