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Der Unkaputtbare

Der Samstagabend bekommt ein Urgestein der deutschen TV-Unterhaltung zurück: Frank Elstner moderiert wieder „Verstehen Sie Spaß …?“. Brille und Seitenscheitel inklusive (Sa., ARD, 20.15 Uhr)

von ALEXANDER KÜHN

Sein Gesicht ist faltig geworden, weiß seine Haare – und er selbst wortbrüchig. Für reine Unterhaltungsshows fühle er sich zu alt, erzählte er der taz noch im vergangenen Jahr. Er wolle jungen Moderatoren nicht den Arbeitsplatz wegnehmen. Jetzt, mit 60, fühlt Frank Elstner sich offenbar wieder jugendlich.

Heute kehrt er dorthin zurück, wo er bis vor zwölf Jahren zu Hause war: auf den Sendeplatz Samstag, 20.15 Uhr. Elstner stammt aus der Zeit, als diese Uhrzeit gern als „Hochaltar der Fernsehunterhaltung“ bezeichnet wurde.

Aus jener Zeit stammt auch seine neue, alte Show. Ein hochgradig unlustiges Schweizerpärchen hatte „Verstehen Sie Spaß“ seit 1983 zu einer der erfolgreichsten ARD-Sendungen gemacht, obwohl die Idee schon damals uralt war: Die in ihrer Biederkeit sehr aparte Paola und ihr Mann Kurt Felix, der immer aussah, als habe ihm jemand Wattebäuschchen in die Backen gestopft.

Vor elf Jahren zogen sich die beiden zurück, mit der Sendung ging’s bergab. Nachfolger Harald Schmidt benutzte sie als Trainingsplatz für seine bald darauf startende Late Night Show, Dieter „Palim-palim, eine Flasche Pommes frites“ Hallervorden warf nach sieben Sendungen das Handtuch – Cherno Jobatey geht leider erst jetzt. Hinzu kommt, dass mittlerweile fast jeder Sender schon Kameras versteckt hat. RTL beteiligte sich von 1995 bis 1997 mit „April, April“ am Versteckspiel, Moderation: Frank Elstner.

Zielgruppe Altersheim

Dass er jetzt „Verstehen Sie Spaß?“ übernimmt, zeigt, dass die ARD es nicht geschafft hat, in den vergangenen Jahren auch nur einen jungen Moderator aufzubauen, der einer solchen Aufgabe gewachsen wäre. Und es lässt ahnen, dass die ARD dem ZDF mit seinem Image als Seniorensender Konkurrenz machen will.

Wenn Frank Elstner nicht baden gehen will, muss er konsequent die Zuschauer seiner Generation bedienen, wie in seiner Talkshow „Menschen der Woche“, die er seit zwei Jahren im SWR moderiert. Die Jungen werden ohnehin nicht verstehen, warum dieser Moderator einmal so populär war wie heute Stefan Raab und Harald Schmidt. Für sie ist er nicht „der Mann, der alles kann“ (Frau im Spiegel, 1977). Für sie ist er einfach ein Mann mit Brille und Seitenscheitel – wenn sie ihn überhaupt kennen, dann aus „Jeopardy“.

Große Zeit vorbei

Die Twenty- und Thirtysomethings erinnern sich noch gut an „Wetten, dass …?“-mit-Elstner-Gucken. Florian Illies schrieb in „Generation Golf“: „Niemals wieder hatte man in späteren Jahren solch ein sicheres Gefühl, zu einem bestimmten Zeitpunkt genau das Richtige zu tun.“

Was er meint, sind Momente wie am 15. Dezember 1984: Fünf Mitglieder von „Robin Wood“ springen auf die Bühne der Bremer Stadthalle und entrollen ein Spruchband, mit dem sie gegen ein Kraftwerk im Donautal demonstrieren – einer der Wettpaten ist der österreichische Bundeskanzler Fred Sinowatz. Ordner zerren die Demonstranten von der Bühne, doch Elstner geht dazwischen: „In meiner Sendung wird keiner rausgeschmissen.“ Er redete mit den Störenfrieden über ihr Anliegen und verspricht, Sinowatz werde nach der Sendung mit ihnen diskutieren.

Das war groß. Doch Herr Illies wird am Samstagabend nicht fernsehen – die „Generation Golf“ hat noch nicht das passende Alter erreicht. Zuschauen werden Leute aus Frank Elstners Generation. Die auch heute noch einen formvollendeten Gastgeber schätzen, der die Gäste höflich und fair behandelt. Der sich, anders als heute bei „Wetten, dass …?“ üblich, mit den Menschen unterhält statt ihnen ans Knie zu fassen.

Elstners Abstieg als Moderator begann mit „Nase vorn“ – einer Show, die das ZDF als großen Wurf für die 90er-Jahre angekündigt hatte. Elstner animierte die Zuschauer zu Hause, Telefonnummern auf Kärtchen freizurubbeln und anzurufen; er präsentierte Amerikaner, die Knoblauch-Shrimps unter der Motorhaube eines Autos brieten, und Oma Liesl, die mit 69 Jahren noch Steilwände erklomm. Und ließ die Zuschauer im Saal per Lampen abstimmen, welche Gäste die Nase vorn hatten. Zum Schluss gab es ein Trabrennen.

Bild am Sonntag urteilte nach der ersten Sendung im Dezember 1988: „Elstners große Rubbelei – ein Reinfall“. 21,8 Millionen neugierige Zuschauer schalteten da noch ein – bei der letzten Ausgabe zwei Jahre später waren es noch 12,5 Millionen. Dabei hatte die Sendung eigentlich nur ein Problem: Elstner packte so viele Ideen rein, dass es für mehrere Formate gereicht hätte. Er wollte die ganze Familie ansprechen. Das ging schief. Im Jahr 2002 ist das ungleich schwieriger. Doch was lesen wir nun in den Programmzeitschriften: Gäste der ersten Sendung sind Sarah Connor und Sasha. Frank Elstner möchte wieder mehr junge Zuschauer vor den Fernseher locken.

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