■ Der US-Präsident hat seine Energiesteuerpläne aufgegeben: Trauma statt Traum
Über dem Capitol in Washington scheint die Sonne – erbarmungslos. Im Innern, unter der 150 Meter hohen Kuppel, wird Bill Clinton, der 42. Präsident der USA, demontiert. Sprachlos sieht er zu, wie die von ihm geplante Energiesteuer und sein Haushaltssanierungsprogramm vom demokratisch dominierten US- Senat auseinandergenommen werden. Parteidisziplin zählt hier wenig, wenn die Lobbyisten am Werk sind. Soweit zur Kluft zwischen innovativen Ideen und den Niederungen der Realpolitik.
Schlimm daran ist vor allem die Symbolik. Die Pläne aus dem Weißen Haus waren der erste Versuch, dem Energiemoloch Amerika mit einer alle Energieformen erfassenden Steuer zu Leibe zu rücken. Sie hätten ein Instrument abgegeben, das ausbaufähig gewesen wäre; mit dem man einen radikalen ökologischen Kurswechsel hätte angehen können. Breit angelegt, wie die Steuer war, entsprach sie zudem Clintons Botschaft, die Lasten des Aufbruchs gerecht verteilen zu wollen.
Doch die Pläne sind tot. Beide Ziele – die Zähmung des Energiemolochs und die breite Verteilung der Lasten – hat Clinton jetzt aufgegeben. Die Steueralternativen der Senatoren, wie z.B. eine Mineralölsteuer, erfassen den Energiebereich nicht mehr. Sie nehmen gerade die Industrie aus. Das ist ökonomisch und politisch fatal. Erstens, weil Industrielle mit dem spitzen Rechenstift sehr viel schneller mit Energiespartechnologien und der Schließung unrentabel gewordener energiefressender Produktionen auf die Steuer reagiert hätten. Und zweitens, weil die Botschaft verloren geht, daß alle Amerikaner mitbezahlen. Die neuen Vorschläge haben denn auch prompt einen Proteststurm der Lkw-Lobby, der Flugverkehrslobby und der Politiker ausgelöst, die in ländlich geprägten, besonders vom Auto abhängenden Staaten gewählt sind.
Zu Hause beschädigt Clinton sein politisches Ansehen. Schlimmer aber ist die Folge des Clintonschen Rückzugs für die globale Klimapolitik. Die EG beispielsweise drückt sich seit einem Jahr um die Einführung einer eigenen Energiesteuer – immer mit dem Hinweis, daß andere OECD-Staaten, insbesondere die Amerikaner, wegen der Konkurrenz zwischen den Industrien erst Gleiches tun müßten. Clintons Ankündigung, im Rahmen seiner Haushaltssanierung eine Energiesteuer einzuführen, hatte die europäischen Drückeberger und Klimaverpester für einige Monate in Zugzwang gebracht. Doch der Rückzug Clintons gibt ihnen erneut Oberwasser. Die EG-Finanzminister haben ihre Entscheidung über eine Energiesteuer auf den Herbst vertagt. Dem Klima ist es egal, der Meeresspiegel wird steigen. Nach uns die Sintflut. Hermann-Josef Tenhagen
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