Der Tod von Lea-Sophie: Amt kümmert sich, Kind stirbt dennoch
Nach dem Tod der fünfjährigen Lea-Sophie aus Schwerin streiten CDU und SPD darum, ob es Pflichtuntersuchungen für Kleinkinder geben soll. Dem Jugendamt der Stadt droht ein Verfahren.
ROSTOCK taz Die politische Diskussion über schärfere Kontrollen in der Kindervorsorgeuntersuchung gewinnt seit einigen Tagen an Schärfe. Auslöser ist der Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie in der Schweriner Plattenbausiedlung Lankow.
Wie schon der Tod der ebenfalls verhungerten Jessica aus Hamburg und des vermutlich zu Tode misshandelten Bremer Jungen Kevin ist auch der aktuelle Fall wieder Anlass für eine Debatte über eine ärztliche Pflichtuntersuchung kleiner Kinder. Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach sich am Wochenende für verbindliche Vorsorgeuntersuchungen aus. Eine bundesweite Verpflichtung hält sie jedoch für "verfassungsmäßig sehr fragwürdig". Niedersachsens Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) forderte in der Bild am Sonntag eine ebenfalls verpflichtende Sonderuntersuchung auf Misshandlungen beim Kinderarzt.
Dagegen sind sich jedoch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und Experten des Bundesausschusses von Ärzten und Krankenkassen einig, dass eine derartige Sonderuntersuchung anfällig für Fehlermeldungen ist. Familien könnten so ungerechtfertigt unter Verdacht geraten.
Unterdessen muss sich das Schweriner Jugendamt in diesen Tagen dem Vorwurf der Untätigkeit stellen. Mecklenburg-Vorpommerns Sozialminister Erwin Sellering (SPD) kritisierte das Vorgehen der Behörde: "Wenn das Jugendamt zweimal Kontakt mit einer Familie hatte und anschließend ist ein Kind tot - da kann man nicht sagen, man habe alles richtig gemacht." Sellering spielte damit auf den umstrittenen Umgang der Amtsmitarbeiter mit Lea-Sophies Eltern an. Seit November 2006 wurden diese zweimal vom Jugendamt besucht. Der 26-jährige Vater und die 23-jährige Mutter lehnten dabei jegliche Beratungsangebote sowie die mögliche Unterbringung der Tochter in einer Kita ab.
Erst als am 12. November 2007 ein anonymer Anruf die Behörde erreichte, wurden die Mitarbeiter wieder auf die Familie aufmerksam. Allerdings sorgte man sich um den neugeborenen Sohn, nach dem Gesundheitszustand der fünfjährigen Lea-Sophie fragten die Mitarbeiter nicht. Wie schlecht es um das Mädchen stand, erfuhren sie erst durch die Schweriner Kriminalpolizei. Diese meldete am 21. November, dass Lea-Sophie gestorben sei und nach einer Unterbringung für ihren zwei Monate alten Bruder gesucht werde.
Die Eltern wurden noch am selben Tag verhaftet. Sie stehen unter Verdacht, den Tod ihrer Tochter durch Unterlassen verschuldet zu haben. Als das Mädchen am Abend des 18. November in ein Schweriner Krankenhaus gebracht wurde, wog sie nur noch 7,4 Kilogramm. Kurz danach verstarb Lea-Sophie an den Folgen von Unterernährung und Wassermangel. Der zwei Monate alte Säugling indes zeigt keine Spuren von Vernachlässigung und ist wohlauf. Das Kind ist vorerst bei Pflegeeltern untergebracht. Ein makaberes Detail des Vorfalls ist, dass es offenbar sogar den beiden Hunden der Familie besser ging als dem verhungerten Mädchen. So konnte der Leiter des Tierheims, in dem die Hunde auf einen neuen Besitzer warten, kein Zeichen von Verwahrlosung feststellen.
Das Schweriner Jugendamt muss nun mit einem Verfahren wegen "Kindeswohlgefährdung" rechnen. Zu einem Gedenkgottesdienst für Lea-Sophie in Schwerin kamen am Wochenende etwa 150 Menschen.
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