Der Tod im Gaming: Endlich realistisch sterben mit Sims4
Das Thema Sterben blenden wir als Gesellschaft kollektiv aus. Bei Videospielen gehört es dazu – aber erst mit Sims wird es nachfühlbar.
D ie Luft in der Kapelle ist warm und riecht nach Kerzenwachs. Durch die Kirchenfenster dringt kaum Sonnenschein. Das Vogelgezwitscher von draußen verstummt, als die Tür hinter mir zufällt, nur noch das Schlurfen von Schuhsohlen auf Stein ist zu hören. Direkt vor mir: der Sarg meiner Oma. Mir steigen Tränen in die Augen, mehr aus Schock als aus Trauer. Ich bin elf Jahre alt, als ich zum ersten Mal auf einer Beerdigung bin. Und es fühlt sich an wie ein Albtraum.
Dem Tod begegnet man in unserer Gesellschaft in der Regel in zwei Fällen: Im selteneren Fall arbeitet man mit ihm. Für die meisten schlägt er eines Tages wie ein Blitz ein. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die meisten Menschen in Deutschland zum ersten Mal einen toten Menschen sehen, wenn ihre Eltern sterben. Aber als ich nach Zahlen dazu suche, finde ich nichts.
Und das ist Teil des Problems: Sterben ist so ein anstrengendes Thema, dass wir es bereitwillig kollektiv ausblenden. Wir leben gesünder und länger als je zuvor. Das ist schön, bis man nicht mehr lange und gesund lebt. Je näher Menschen dem Tod kommen, desto mehr werden sie im kapitalistischen System abgewertet. Das hat furchtbare Folgen für Betroffene. Denn irgendwann kommt der Tod. Und dann steht man da, überfordert und allein, weil sich niemand damit beschäftigen will.
Der Tod im Spiel ist unmenschlich
In vielen Videospielen ist das anders. Da gehört das Sterben dazu, nicht nur bei Ego-Shootern. Auch Mario und Luigi killen Pilze und Schildkröten. Ich denke nicht, dass Gamer:innen deswegen entspannter mit dem Tod umgehen. Denn der Tod im Spiel ist unmenschlich: Die verlorenen Leben der Pilze sind wertlos, der eigene Tod fast egal, denn man kann es einfach nochmal versuchen. Zu einem empathischen Umgang mit sterbenden Menschen oder Angehörigen regt das nicht an.
Selbst Indie-Spiele wie „Spiritfarer“ und „Cozy Grove“, die sich explizit um den Tod drehen, bleiben realitätsfern: Darin kümmert man sich um die Seelen Verstorbener und bereitet sie auf das Jenseits vor. Doch das Sterben selbst wird ausgeblendet.
Einen neuen Vorstoß wagt nun das Simulationsspiel „Sims 4“. An Halloween erschien das Erweiterungspack „Leben & Tod“. Sowie ich es installiert habe, lasse ich meine Sims-Oma sterben. Fragt bitte nicht, wie. Ihre Tochter organisiert die Beerdigung. Die Kapelle auf dem Friedhof ist düster und unheimlich, wie die Kapelle, die mir mit elf Jahren Angst gemacht hat. Mit kleinen Gitterfenstern, dunklen Holzmöbeln und unzähligen Kerzen.
Ich gehe in den Baumodus, tausche die Gitterfenster gegen eine hohe Fensterfront und reiße eine Wand ein, um Luft und Licht hereinzulassen. Dieser Raum soll sich nicht nach Gruft anfühlen, sondern nach Freiheit. Um den Sarg platziere ich Blumen und Zimmerpalmen, die den Raum lebendig machen. Es ist Herbst, die Sonne strahlt. Eine Musikanlage spielt leise Klassik, wie sie meine Oma zum Frühstück gehört hat. So könnte sich Abschied anfühlen.
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