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Cross-SchlagDer Star heißt Boris

Die deutschen Tennisspieler bezwingen mit Becker im Daviscup die Niederlande

Leipzig (taz) – Man wird ihn einfach nicht los. Kaum hat man Boris Becker durch die Vordertür hinausgeworfen, ist er durch die Hintertür schon wieder drin. Wenige Wochen nach seinem durch allerlei widrige Umstände forcierten Abgang als Teamchef war er beim Daviscup-Match gegen die Niederlande in Leipzig präsenter denn je. Unübersehbar thronte er beim Doppel in der ersten Reihe neben Georg von Waldenfels, dem Präsidenten des Deutschen Tennis-Bundes (DTB), am Ende erhob er sich bei jedem gewonnenen Punkt des deutschen Duos Prinosil/Goellner und klatschte, wie sein eigenes Denkmal aus der Menge ragend, demonstrativ Beifall. Als Gesprächspartner war er weit begehrter als der erstmals allein verantwortliche Daviscup-Kapitän Carl-Uwe Steeb, und besonders im Blickpunkt stand er natürlich bei den Matches von Thomas Haas, der gestern durch seinen 6:2, 6:2, 6:3-Erfolg gegen Sjeng Schalken den Siegpunkt für das deutsche Team holte.

Haas war es, der Becker die prompte Rückkehr in den innersten Zirkel der deutschen Tenniselite ermöglicht hatte. Da mochte sich der auf einem Bürosessel am Spielfeldrand residierende Steeb in den Spielpausen den Mund fusslig reden, die wichtigen Hinweise bekam der 23-Jährige via Tribüne von Becker, seinem neuen Berater. „Wir sehen uns einfach nur an, das ist ein tolles Gefühl“, schwärmt Haas. Wie schön!

Der Hilferuf des Hamburgers nach den verpatzten Australian Open war ein Geschenk des Himmels für Becker, der immer heftiger in die Fußstapfen des Fußballkaisers tritt. Mit dem feinen Unterschied, dass Becker neben seiner selbstlosen Tätigkeit als selbst ernannter guter Geist des deutschen Tennissports handfeste Geschäftsinteressen im Rahmen seiner Marketingagentur BBM verfolgt, während sich Franz Beckenbauer bloß selbst vermarktet. Boris Becker dagegen führt die Geschäfte von Fußballern wie dem Ukrainer Schewtschenko, versucht der NFL Europe auf die Beine zu helfen und will natürlich auch im Tennis den Fuß in der Tür behalten. Zwecks Selbstpromotion kreuzte er in Leipzig gar beim Journalistenabend in einer Bar auf, ließ beflissen zur Audienz im kleinen Kreis bitten und teilte beiläufig mit, dass ihn der neue Präsident des Internationalen Tennis-Verbandes (ITF), Francesco Ricci-Bitti, gern als „Sprachrohr“ des deutschen Tennis sehen würde.

Seine neueste Akquisition Thomas Haas allerdings steht noch bis 2003 beim konkurrierenden Vermarkter IMG unter Vertrag, weshalb Becker zunächst mit der Beraterrolle vorlieb nehmen muss. Diese allerdings öffnete ihm beim Daviscup-Team erneut Tür und Tor. Beim Training war er gleich der Chef, ganz wie früher, und Steeb, dessen Emanzipation zuvor mit großem Tamtam herbei gebetet worden war, stand am Rand wie ein dummer Junge, den man wieder nicht so richtig mitspielen lässt. DTB-Präsident von Waldenfels mochte die „Omnipräsenz“ von Becker in Leipzig nicht als Problem sehen, schließlich habe man sich für Carl-Uwe Steeb „nicht als Eintagsfliege“ entschieden. Ein treffendes Bild: Auf der einen Seite zappelt das Fliegengewicht im Netz widerstreitender Interessen, auf der anderen thront der Ochsenfrosch, den das alles wenig anficht.

Für die Zukunft des Daviscup-Teams ist diese Konstellation alles andere als zuträglich. Zwar wurde gestern dank der Daviscup-spezifischen Souveranität von Haas der Sieg gegen die Niederlande perfekt gemacht, aber wahrhaft Großes ist nur mit Nicolas Kiefer zu schaffen. Die Re-Integration von Becker, der sich ohne Zaudern auf die Seite jener schlug, die den Abwesenden wegen seiner diesjährigen Daviscup-Unwilligkeit nicht für Olympia nominieren wollen, dürfte Kiefer jedoch bis auf weiteres vergrault haben. Matti Lieske

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