Der Serienreife

KRIMI Andreas Schmidt-Schallers Karriere hat die DDR überlebt: Seit 2001 leitet er die „SOKO Leipzig“ (21.15 Uhr, ZDF). Wichtig ist ihm, dass sein Kommissar eine Vergangenheit hat

„Ich kann nicht oft genug betonen, dass meine Karriere nach der Wende ein Riesenglück war“

ANDREAS SCHMIDT-SCHALLER

VON DAVID DENK

Eigentlich wollte Andreas Schmidt-Schaller ja nie wieder einen Kommissar spielen, nachdem er sich 1995 mit „Grawes letzter Fall“ nach zehn Jahren im DDR-Fernsehen und in der ARD vom „Polizeiruf 110“ verabschiedet hatte. Eigentlich. „Ich habe aber gleich gesagt: Man soll niemals nie sagen.“

Seit 2001 steht der 64-Jährige nun allerdings doch wieder als Polizist vor der Kamera – er gibt den Kriminalhauptkommissar Hajo Trautzschke in der ZDF-Serie „SOKO Leipzig“, die heute in eine neue Staffel geht. „Das Spannende an der Figur ist, dass sie schon 30 Jahre Polizeiarbeit hinter sich hat, im Osten, und nach der Wende unter ganz anderen Bedingungen da weiterarbeitet“, begründet Schmidt-Schaller seinen Rückfall. „Die Figur ist eben nicht abgekoppelt von ihrer eigenen Vergangenheit“ – anders als Schmidt-Schaller es in anderen TV-Produktionen beobachten musste, auch bei seiner „Polizeiruf“-Rolle: „Ich hätte es reizvoll gefunden, noch zu erzählen, wie die Figur nach der Wende plötzlich in Konflikt mit ihrer Umwelt und sich selbst kommt.“

Auch der gebürtige Thüringer, der seit 30 Jahren in Berlin lebt, musste sich nach der Wende umstellen, allerdings nicht so stark wie viele Kollegen, „weil ich auch in der DDR schon seit 1981 nicht mehr fest am Theater engagiert war, es also schon gewöhnt war, mich als freischaffender Schauspieler durchzuschlagen. Ich kann aber nicht oft genug betonen, dass die Entwicklung meiner Karriere nach der Wende ein Riesenglück war.“ Durch „Unter Brüdern“, den gemeinsamen Film mit den Duisburger „Tatort“-Ermittlern Schimanski und Thanner, wurde die Bavaria-Fernsehproduktion auf ihn aufmerksam und gab ihm während einer zweijährigen „Polizeiruf“-Auszeit 1992 eine Titelrolle in der Kleinstadtserie „Oppen und Ehrlich“.

Auch wenn Schmidt-Schaller nahtlos an seine früheren Erfolge anknüpfen konnte, auch im Westen bald ein bekanntes Fernsehgesicht war, gibt er beim Gespräch in einem Café in Prenzlauer Berg zu erkennen, dass er in der Wendezeit „durchaus Hoffnungen in den dritten Weg gesetzt“ habe: „Die Gedanken, ob es nicht eine Alternative zu unserem Gesellschaftssystem gäbe, macht man sich ja interessanterweise heute wieder.“ Und schon steckt man in der Krise. Schmidt-Schaller vermisst zunehmend eine Orientierung an christlichen Werten – und weiß, dass er dabei klingt wie sein CDU-Textilfabrikant aus „Oppen und Ehrlich“. „Wir müssen dahin zurückkommen, dass derjenige, der viel verdient, Verantwortung verspürt für unsere Gesellschaft. Diese ständige Jagd nach Reichtum, dieser allgegenwärtige Egoismus ist ein großes Problem.“

Keine Frage: Schmidt-Schaller redet gern über Gott und die Welt. Als seine Tochter Petra, ebenfalls Schauspielerin, hinzustößt, löst sich das Interview in lockerem Geplauder auf. „Über Gott und die Welt“ heißt passenderweise auch sein 2006 erschienenes Buch. In eine Talkshow setzen würde er sich mit seinen Ansichten allerdings nicht: „Das wäre absurd. Ich bin Schauspieler, kein Politiker, mache mir allerdings so meine Gedanken.“

Auch sein langjähriges Dasein als Seriendarsteller reflektiert Schmidt-Schaller sehr genau: „Man stellt sich hin und wieder schon die Frage: Hättest du dich ohne ‚SOKO Leipzig‘ schauspielerisch vielleicht noch in eine andere Richtung entwickelt?“ Die „innere Unruhe“ versucht er zu bekämpfen, indem er, so knapp die Zeit auch ist, zwischendurch immer wieder andere Rollen spielt, etwa den „Jedermann“ auf Usedom. Überhaupt will Schmidt-Schaller, dessen Karriere nach der Schauspielausbildung in Leipzig mit einem Engagement in Karl-Marx-Stadt begann, wieder mehr Theater spielen. „Das große Glück des Schauspielers ist ja, dass er, wenn er fit bleibt, bis ins hohe Alter arbeiten kann. Ich habe also hoffentlich noch viele Möglichkeiten.“