Der SC Freiburg will nach oben: Erwünschte Normalität
Der SC Freiburg will in die erste Liga - wieder mal. Und doch ist alles anders: Unter dem neuen Trainer Robin Dutt müht sich der SC, endlich ein ganz normaler Verein zu werden.
FREIBURG taz Ein, zwei Jahre, schätzt Manager Dirk Dufner, werde es noch dauern, bis der SC Freiburg wieder ein normaler Verein sein wird. Er wünscht sich, dass dann alle, die sich an die 16-jährige Trainerära von Volker Finke erinnern, an "gute" und nicht an "bessere" Zeiten denken. Auf dem Weg dahin sei man unerwartet weit vorangekommen, findet Dufner. "Der Wechsel ist viel ruhiger verlaufen, als wir selbst gedacht haben."
Im Sommer vergangenen Jahres, als beim Abschied des alten Trainers unzählige Fans trotzig ihre "Wir sind Finke" und "Wir bleiben Finke"-Plakate in die Höhe reckten, beneidete gewiss keiner den neuen Trainer Robin Dutt. Zwar gab es im Publikum auch eine große Schar an Finke- Verdrossenen, doch die hielten sich an jenem Tag zurück.
Vielleicht war es anfangs ja Mitleid, das Dutt, dem Neuling im Profigeschäft, den Einstieg in Freiburg erleichterte. "Jeder hat sich aufgefordert gefühlt, mir Mut zuzusprechen", berichtet der schwäbelnde Dutt, der von den Stuttgarter Kickers kam. Nach dem ersten Heimerfolg gegen Paderborn sei man mehr gelobt worden, als es die Leistung gerechtfertigt hätte. Dutt spricht vom "Feingespür" der Anhänger, des Vereins und der Medien. Aufgrund der Erfahrungen in Bremen und Karlsruhe, wo die Mannschaften nach langen Amtszeiten von Otto Rehhagel und Winfried Schäfer erst einmal in ein Loch fielen, sei vielen die Schwere der Situation bewusst gewesen.
Doch in Freiburg erlebte man schnell den ersten Höhenflug. Nach acht Spieltagen führte der Verein die Tabelle an. Viele wähnten sich auch aufgrund der attraktiven Spieweise etwa beim 3:1 in Köln oder beim 3:2-Heimsieg gegen Hoffenheim in beste Finke-Jahre zurückversetzt. Rasch wurden alte Klischees wiederaufbereitet, obwohl Dutt dem Team mit zwölf Neuverpflichtungen ein völlig neues Gesicht gegeben hat. Dutt stellt amüsiert fest: "Wir sind immer noch die Breisgau-Brasilianer, die es auf tiefem Boden schwer haben. Und unserem Offensivspiel fehlt es nach wie vor an Effizienz."
Dass sich die Freiburger in der Rückrunde als defensivstarke Minimalisten erwiesen haben (drei 1:0-Erfolge), wird die Klischees vorerst auch nicht vergessen machen. Dutt versteht es, mit dem Schatten seines Vorgängers umzugehen. Mit größtem Diplomatengeschick hat es der 43-Jährige bislang geschafft, nirgends anzuecken. Die Belobigungen, die er für sein Team einstreicht, dem derzeit nur zwei Punkte zu einem Aufstiegsplatz fehlen, teilt er brav mit Finke: "Überraschend ist der Erfolg meiner Mannschaft nicht, wenn man bedenkt, welch gute Vorraussetzungen Volker Finke hinterlassen hat. Man konnte ihn aber auch nicht erwarten."
Zuweilen hören sich seine Sätze wie Lehrformeln aus einem Managerseminar an: "Was gut war, haben wir übernommen. Wo wir Verbesserungspotenzial sehen, handeln wir." Bei dem Thema, was er anders machen möchte, schweigt er sich aus. Sein Stil ist von großer Sachlichkeit geprägt. Das passt bestens zu der Sehnsucht beim Klub, ein normaler Verein zu werden.
Manager Dufner ist da wesentlich emotionaler. Auf die Frage, ob man Finkes Abschiedsworte beherzigen wolle, andere Klubs nicht zu kopieren und weiter die Nischen zu suchen, wo man besser sein könne, fragt er erregt: "Was heißt denn Nische? Das ist eine Floskel, mit der ich nichts anfangen kann." In Freiburg sei lange so getan worden, als ob man Erfolg hätte, ohne Geld auszugeben. Der SC habe gezeigt, dass man auch im Profifußball sympathisch sein kann. Diesen Ruf wolle man genauso pflegen wie die familiäre, badisch-gemütliche Ausstrahlung. Ansonsten sei der Club ein Verein wie jeder andere. Dufners Sicht der Dinge beschreibt einen fundamentalen Wandel. Der Verein taugt nicht mehr als Projektionsfläche für Idealisten, die Finke verehrten, weil er den SC als Gegenentwurf zum Establishment aufbaute. Die Pragmatiker haben das Ruder übernommen. Im Dezember wurde Pressesprecher Martin Braun entlassen, der letzte Finke-Getreue. Man ersetzte ihn durch den früheren Playboy-Redakteur Rudi Raschke, der zu Finke-Zeiten "14 Thesen zum Niedergang des SC Freiburg" veröffentlicht hat.
Im Breisgau hat das kaum noch jemanden interessiert. Man konzentriert sich aufs Alltagsgeschäft. Dutt sagt, das Wichtigste seien jetzt drei Punkte am Sonntag auf St. Pauli. Vom Aufstieg möchte keiner reden. "Wir wollen die Mannschaft im Umbruchsjahr nicht unnötig unter Druck setzen", erklärt Dufner und sagt doch auch, dass ein Aufstieg auf dem Weg zur erwünschten Normalität eine erhebliche Abkürzung bedeuten würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts