Der Retter Rumäniens: "Ich bin der mächtigste Mann"
Vom Schafhirten zum Milliardär: Gigi Becali ist der bizarrste Politiker Rumäniens seit Ceausescu. Er sei der Mächtigste "ökonomisch, geistig, sogar vom Aussehen her".
BUKAREST taz Der Retter Rumäniens sitzt in seinem 500.000-Euro-Wagen, Marke Mercedes-Maybach, und hat Riesenspaß am Karaoke. Laut trompetet er Text und Melodie des orthodoxen Kirchenliedes: "Denn Gott ist mit uns!" Bei den hohen Tönen rutscht ihm zwar die Stimme ab, doch die Musik verschluckt sein Krächzen, die CD läuft mit maximaler Lautstärke. "Ich höre nur solche Musik, sie macht mich so stark!", schreit Gigi Becali. "Ich habe vor niemandem Angst, vor gar nichts!"
1958: George "Gigi" Becali wird in Ostrumänien geboren. Seine Eltern sind Bauern, er selbst wird Schafhirte.
1999: Gigi Becali wird mit 31 Jahren zum Multimillionär. Zu verdanken hat er das einem mutmaßlich illegalen Grundstückstausch mit dem rumänischen Verteidigungsministerium - noch heute ermittelt in dieser Sache die Antikorruptionsbehörde gegen ihn.
2007: Gigi Becali, seit drei Jahren Chef der "Partei Neue Generation", tritt als deren Spitzenkandidaten für das Europaparlament an. Die am Sonntag zu wählenden Parlamentarier werden die 35 Kollegen ablösen, die seit September 2005 mit Beobachterstatus und seit dem 1. Januar als vollwertige Abgeordnete in Straßburg vertreten waren.
K. VERSECK
Becali, schwerreicher Grundstücksspekulant, Fußballklubbesitzer und einer der einflussreichsten Politiker Rumäniens, ist auf dem Weg in sein "Büro", ein 1.500-Quadratmeter-Palais im Bukarester Diplomatenviertel. Die Wagenkolonne biegt in die vornehme Alexandru-Allee ein und okkupiert weiträumig das Trottoir, außer dem Maybach drei weitere Limousinen und ein grellgelber Hummer, der wirkt wie eine Mischung aus Schützenpanzer und Räumfahrzeug.
Kaum steigt Becali aus dem Wagen, humpelt eine alte Frau mit Krücke und dicken Brillengläsern auf ihn zu, Leibwächter in schusssicheren Westen versperren ihr den Weg. Sie will Geld für einen Krankenhausaufenthalt und irgendeine komplizierte Operation. Halb süßlich, halb angewidert grinsend steht Becali da, weißgrauer Anzug, weißer Strickpulli mit Zopfmuster, weiße Socken in nussbraunen Krokodillederschuhen. Er hört sich die Klagen der Frau ungeduldig an, dann lässt er sie einfach stehen.
Durch den großflächig betonierten Vorgarten marschiert er in seinen Palast. Er hat ihn vor nicht allzu langer Zeit gekauft und nun renovieren lassen. Außen Blattgold und Stuck, innen Blattgold und Stuck. Im Salon lässt sich Becali in einen Sessel fallen, Rokoko-Imitat, blattvergoldet. Er schleudert sein Mobiltelefon über den Teppich ans andere Raumende, eine Sekretärin huscht herbei, hebt es auf und stellt sich damit schüchtern in eine Ecke.
"Gott hat in Rumänien jemanden mit Namen Becali geboren, das bin ich", ruft Becali aus seiner Sesselschräglage. Die goldene Armbanduhr pendelt am Unterarm. "Ich werde das Land zum großen Sieg führen. Ich! So wird es es sein."
Gigi Becali ist einer der bizarrsten Politiker seit Ceausescu. Vor 1989 war er Schafhirte in seines Vaters Diensten. Der, so stellt Becali es dar, hinterließ ihm ein Zigtausend-Dollar-Vermögen, erwirtschaftet mit Schafskäse und Wolle. Nach dem Sturz des Diktators machte Becali mit Grundstücksspekulationen in Bukarest ein wundersames Vermögen, laut eigener Aussage ist der 49-Jährige heute Milliardär. Wegen eines dubiosen Grundstückstauschs mit dem rumänischen Verteidigungsministerium ermittelt derzeit die rumänische Antikorruptionsbehörde gegen ihn: Für 21 Hektar Land in einem Dorf bei Bukarest bekam Becali 1999 ein gleich großes Gelände im lukrativen Bukarester Norden. Geschätzter Marktwert heute: rund 200 Millionen Euro.
Vor vier Jahren wurde Becali Mehrheitsaktionär von Steaua, dem erfolgreichsten rumänischen Fußballklub. Die Fernsehauftritte als Steaua-Boss verhalfen ihm zu großer Bekanntheit unter den sportbegeisterten Rumänen. Doch Reichtum und Fußballprominenz genügten ihm nicht, 2004 übernahm er vom ehemaligen Bukarester Bürgermeister die Splitterpartei "Neue Generation" und stieg in die Politik ein. An diesem Sonntag nun will er auch die internationale politische Bühne erobern: Gigi Becali kandidiert für das Europaparlament.
Becalis Mission ist die "geistige Auferstehung der rumänischen Nation", der Parteislogan lautet: "Im Dienste des Kreuzes und der Rumänenschaft". "Die anderen Politiker wollen sich bereichern", poltert Becali aus seinem Rokoko-Sessel, "während ich mich aufopfere, um mit allem, was mir Gott gegeben hat, Gutes zu tun. Sie lügen, und ich sage die Wahrheit. Aber ich rede nicht nur, ich tue auch etwas."
Tatsächlich wirft Becali seit seinem Eintritt in die Politik mit Geld um sich - vorausgesetzt, das Fernsehen filmt ihn dabei. Er finanziert den Bau Dutzender orthodoxer Kirchen. Flutopfern in Südrumänien hat er neue Häuser geschenkt. Im Frühjahr fuhr er im Maybach in einem Bukarester Neubaughetto vor und bezahlte fällige Stromrechnungen. Die Bewohner hatten randaliert, weil ihnen der Strom abgeschaltet worden war. "Becali, komm!", war einer ihrer Schlachtrufe gewesen.
Becali kommt. Manchmal im Maybach. Meist aber vom Himmel.
Maglavit, ein Kloster in Südwestrumänien im Spätherbst. Behutsam landet der Hubschrauber auf einer Wiese. Kaum hat der Pilot aufgesetzt, springt Becali heraus. Ein Trupp schmerbäuchiger Parteileute aus der Kreisfiliale scharwenzelt so eifrig um den "Herrn Präsidenten" herum, dass eine extra angeheuerte Provinzschönheit im Minirock, die einen Blumenbukett überreichen soll, ins Abseits gerät. Wenig später stapfen alle zusammen durch hohes Gras und Unkraut zur Klosterkirche, deren Bau Becali sponsert. Vor dem Rohbau jubeln und klatschen ein paar hundert Leute: "Be-ca-li! Be-ca-li!" Es sind weniger, als er erwartet hat, wortlos entschwindet er in das halbfertige Gotteshaus. Vor der Kirche stehen Unmengen Cola- und Wasserflaschen, jeder darf trinken, so viel er will, Becali zahlt. "Der beste Mann Rumäniens", sagen die Dörfler, die "Nummer eins", ein "Politiker der Massen".
Zwei Stunden lang steht der Wohltäter mit gefalteten Händen vor dem Altar, vor den versammelten Größen des Kirchenbezirks. Becali hat schon öfter Reden gehalten in Kirchen. Heute predigt er nicht, er lässt sich einfach nur vom Abgesandten des Bischofs für seine Freigiebigkeit loben. Am Ende verspricht er den wartenden Journalisten, dass er bald eine CD mit selbst gesungenen orthodoxen Liedern herausbringen werde. "Dann könnt ihr mal sehn, dass Becali die Stimme Pavarottis hat", sagt er grinsend. "So, und nun weg mit euch!"
Becali ist milde gestimmt an diesem Tag. Kein verbaler Amoklauf, nur gemäßigte Selbstinszenierung. Anders als beim Gespräch im Palais. Die nächsten Präsidentenwahlen Ende 2009 werde er gewinnen, prophezeit Becali da, kein Zweifel. Denn "ich bin der stärkste und mächtigste Mann in Rumänien, politisch, ökonomisch, geistig, sogar vom Aussehen her!" Als Präsident werde er eine "sehr große Entscheidung treffen", über die er noch nichts verraten könne. "Eine Entscheidung so in der Art von Russland, die nur ich treffen kann, sonst niemand."
Erst einmal kandidiert er ja nun, etwas bescheidener, als Abgeordneter für das Europaparlament in Straßburg. Was will er dort? "Ich werde alle Abgeordneten im Parlament in Brüssel fragen: Wer hat uns geschaffen?" Er macht eine Pause. Dann bellt er: "Auch Sie frage ich das!"
Die Antwort ist nicht so, wie er sie hören möchte. Wütend springt er aus seinem Sessel und gestikuliert. "Du hast nichts verstanden, von dem, was ich dir erzählt habe, gar nichts", giftet er, "ich rede ja völlig umsonst mit dir!" Die Tirade zieht sich eine Weile hin, Becali schwankt, ob er das Gespräch abbrechen soll oder nicht. Schließlich setzt er sich wieder hin. "Eine Zeit lang bin ich sehr böse auf euch Journalisten gewesen", sagt er, "aber dann habe ich gedacht, ich muss vergeben können. Sonst nimmt mir Gott wieder, was er mir geschenkt hat."
So geht das Gespräch weiter, der Ton konstant sehr laut, der Inhalt ein kruder Mischmasch aus Ultrakonservatismus, orthodoxem Fundamentalismus und Parolen, die sich an die Legionärs-Ideologie anlehnen, die rumänische Variante des Faschismus.
Es ist nicht so, dass man Becali zu Äußerungen dieser Art verleiten müsste, er wirft damit ungefragt um sich. In waschechtem Unterschichtrumänisch verdammt er "die Sünde", also Sex-Shops und Prostitution, verspricht, Homosexuelle in "speziellen Vierteln" einzusperren. Und natürlich bestreitet er den Holocaust an den rumänischen Juden und Roma, denn "das friedliche rumänische Volk ist überhaupt nicht in der Lage, Verbrechen zu begehen".
Becali hat es weit gebracht in Rumänien. Schwer zu sagen, ob trotz oder mehr wegen solcher Äußerungen. Jedenfalls hat er nichts jemals dementiert, und er wird nichts dementieren. Das muss er auch nicht. Niemand verlangt das, kaum jemand aus der rumänischen Politik- und Meinungselite nimmt Becali ernst. Das Fernsehen führt ihn in Episodenfilmchen gerne vor: wie er stottert, wie er ausrastet, wie er die verklemmte Tür seines Maybachs mit der Brechstange aufhebelt.
Einhellig verübelt wurde ihm freilich nur, dass er vor kurzem seinen Klub-Trainer, die rumänische Fußballikone Gheorghe Hagi, vor laufenden Kameras regelrecht niedergemacht und entlassen hat. In den Meinungsumfragen fiel Becali daraufhin vom zweiten auf den sechsten Platz.
Bringt ihn die Hagi-Episode womöglich um das Präsidentenamt? Becali winkt ab, er ist erschöpft, kann sich nicht mehr zum Schimpfen aufraffen. Lieber schwärmt er von seinem Leben als Schafhirte. "Wenn ich keinen Erfolg in der Politik habe, widme ich mich vielleicht wieder den Schafen", verkündet er pathetisch. "Wenn du Schafe hütest, hast du keinen Stress, du stehst nur da und guckst umher. Ich habe auch jetzt dreißig Schafe bei mir zu Hause im Hof in Bukarest, als Hobby. Manchmal gehe ich zu ihnen und schau sie mir an. Ich mag Schafe. Sie haben mich großgezogen, und sie haben mich so stark gemacht."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter