: Der Reiz hat seinen Preis
n Ein kurzer Film über das Frauenboxen: Katya Bankowskys „Shadow Boxers“ (Panorama) porträtiert die holländische Kampfsportlerin Lucia Rijker, die sich im Ring bis ganz nach oben geboxt hat
Für einen Dokumentarfilm zum Thema Frauenboxen ist Lucia Rijker ein Glücksfall. Die Leichtgewichtsweltmeisterin holländisch- surinamesischer Herkunft hat Charme und Humor, sie ist eloquent und klug, und sie zögert nicht, über ihre Zweifel und über die Schattenseiten ihres Sports zu reden. Dass sie vom Boxen begeistert ist, steht so wenig außer Frage wie ihre Selbstgewissheit. Aber sie weiß auch, dass das, was sie tut, Gefahren birgt. „Damit ich mir klar mache, wo ich gelandet bin, habe ich ein Foto von mir als Baby neben einem Foto von einem Boxer hängen, der im Ring gestorben ist. Das nimmt die Schönheit des Sports nicht zurück, es ist die andere Seite der Medaille, der Preis, den man zahlen muss. Ich hoffe, ich schaffe den Absprung im richtigen Augenblick.“ Schwer wird ihr das fallen, denn das Boxen, das Siegen und die Anerkennung haben sie längst süchtig gemacht.
Die New Yorker Filmemacherin Katya Bankowsky hat sich Rijkers Charisma zunutze gemacht und sie in den Mittelpunkt ihrer Dokumentation „Shadow Boxers“ gerückt. Dass Frauen in der internationalen Boxwelt eine Rolle spielen, ist eine recht junge Erscheinung. 1995 erlaubte der Deutsche Amateurboxverband seinen weiblichen Mitgliedern, an Wettkämpfen teilzunehmen; im selben Jahr wurden die Golden Gloves-Amateurmeisterschaften in New York erstmals für Frauen geöffnet. Seither schreibt das Frauenboxen Erfolgsgeschichten, auch wenn – zumindest diesseits des Atlantik, wie der Wirbel um Regina Halmich zeigte – nach einem K.O. das Geschrei groß ist: Darf eine Frau eine andere Frau so schlagen, dass die zu Boden geht und liegen bleibt?
Für Lucia Rijker gehören Knockouts zum Geschäft und auch zum Reiz des Boxens. Wie groß diese Reize sind, zeigt Bankowskys Film, indem er die Interviewsequenzen, die Kampf- und Trainingsszenen zu einer sehr rhythmischen Komposition zusammenstellt. „Shadow Boxers“ arbeitet mit unterschiedlichem Filmmaterial, Schwarzweiß wechselt mit Farbe, körnige Bilder mit scharfen, Zeitlupe mit normaler Geschwindigkeit. Der Wechsel geschieht rasch, unvermutet, perfekt choreographiert – ganz so, als wollte der Film sein Publikum in den Ring zwingen, um es dort mit seiner Wendigkeit, seiner Schnelligkeit, seiner Eleganz zu traktieren. Unterlegt ist das mit fetten Beats, für die die argentische Musikerin Zoel verantwortlich zeichnet. Ein Musikvideo wird „Shadow Boxers“ trotzdem nie. Zum einen, weil Rijker viel zu erzählen hat, was sich mit der mitreißenden Wirkung des Boxens nicht verträgt. Zum anderen, weil Bankowsky die Schläge ins Gesicht zeigt, die blutigen Augen und Nasen und einmal auch, wie Rijker nach einem Schlag auf ihr Ohr nicht mehr hören kann. Wenn sie im Ring steht, dürfe sie nicht zu sehr darüber nachdenken, was sie tut, sagt Rijker. Sonst käme ihr das alles doch sehr abwegig vor.
Cristina Nord „Shadow Boxers“. Regie: Katya Bankowsky. Mit Lucia Rijker, Freddy Roach. USA 1999. Heute, 22.45 Uhr CinemaxX 8, 20. 2., 17.30 Uhr CinemaxX 7
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