Der Press-Schlag: Die Dogmen müssen weg
Die Exzesse von Dynamo-Dresden-Anhängern in Bielefeld werfen Fragen auf. Diesmal können sich auch die Fans ihnen nicht entziehen.
M arcus Uhlig ist ein vernünftiger Mann, einer, der die Erlebnis- und Gefühlswelt von Fußballfans nicht nur vom Hörensagen kennt. Wenn einer wie er den Ausschluss von Dynamo Dresden aus dem bezahlten Fußball fordert, muss etwas so Schlimmes passiert sein, dass der zweite Gedanke, der nach Wut und dem Affekt kommt, nicht mehr durchdringen kann.
Uhlig, seines Zeichens Geschäftsführer von Arminia Bielefeld, dürfte bereits wenige Stunden nach dem Schlusspfiff klar gewesen sein, dass die, die der Fluch von Dynamo Dresden sind, den Verein wohl auch in der achten Liga begleiten würden, er dürfte gemerkt haben, dass weder die große Masse der Dynamo-Fans noch die Spieler noch die Vereinsführung etwas dafür können, dass sich in ihrem Gefolge Leute tummeln, die Dynamo in einer Stellungnahme vom Sonntagabend völlig zu Recht „Kriminelle“ genannt hat.
Schon am Bielefelder Bahnhof, wo die Polizei offenbar zunächst auf die Deeskalationsstrategie gesetzt hat, die Fan-Sozialarbeiter immer fordern, detonierten Böller, später wurden 17 Polizisten verletzt, ein Supermarkt und ein Kino demoliert, zwei Catering-Häuschen im Stadion überfallen und ausgeraubt. 1.000 Sicherheitsleute und bis zu 900 Polizisten konnten die Brutalität nicht eindämmen.
Wie tief muss man gesunken sein, um auf Menschen einzutreten, die am Boden liegen, oder einem Polizeipferd Schnittwunden zuzufügen? Das ist eine rhetorische Frage, eine Antwort braucht es nicht. Aber die Fans müssen handeln. Dynamo Dresden hätte man nur dann einen Vorwurf machen können, wenn der Verein es versäumt hätte, sich mit den klarstmöglichen Worten von den Vorfällen zu distanzieren. Doch genau die finden sich in der Erklärung des Vereins.
Gescheiterte Selbstregulierung
Auch die Fußball-Verbände sind außen vor. Sie haben längst begriffen, dass Kollektivstrafen ungerecht und kontraproduktiv sind, und propagieren völlig zu Recht eine sogenannte täterorientierte Strafverfolgung. Wer Menschen überfällt und ausraubt, die für ein paar Euro die Stunde Wurst und Glühwein verkaufen, sollte nie mehr in ein Stadion dürfen und genau die Strafe absitzen, die ein Richter festlegt.
Das Problem daran: Es muss erst ermittelt werden. Und genau das dürfte mal wieder schwer werden, weil Fans, längst nicht nur Ultras, es in der Regel ablehnen, mit Polizei und Behörden zu kooperieren. Man mag das ja vielleicht noch verstehen, wenn es um das Abbrennen von Pyros geht. Aber bei Raub und schwerer Körperverletzung? „ACAB – All cops are bastards“, dieser Spruch krankte schon immer am ersten A. Und auf die Situation in Bielefeld trifft er gewiss nicht zu.
Die Dynamo-Fanszene hat in den vergangenen Monaten bewiesen, dass Selbstregulierung funktionieren kann. Wenn auch diese scheitert, müssen die Fans aber endlich jene Dogmen über Bord werfen, die nur noch zynisch und verbrecherisch sind.
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